Bericht der Landesregierung über die Ergebnisse des Thüringer Hochschuldialogs 1/2

RedenChristian SchaftWissenschaft-Forschung

Zur Unterrichtung durch die Landesregierung - Drucksache 6/3081


Liebe Kolleginnen und Kollegen, die wenigen Zuschauerinnen und Zuschauer noch auf der Tribüne und ich weiß, dass auch noch ein paar Leute die Debatte trotz der späten Stunde am Livestream verfolgen. Ich hätte mir aber natürlich vielleicht auch noch eine größere Aufmerksamkeit bei der Größe dieses Reformthemas gewünscht, will mich aber zunächst bedanken bei Herrn Minister Tiefensee für den Überblick sowohl über den ersten Einblick in das, was die CDU mit dem Antrag vorgelegt hat, und die erste Bewertung, aber vor allem für den Hochschuldialog, den wir als Rot-Rot-Grün im September 2015 initiiert haben und der dann, wie ich finde, auch hervorragend durch Ihr Haus umgesetzt wurde. Da gilt auch noch mal der Dank allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Wissenschaftsministerium, die an diesem Prozess mitgewirkt und diese Foren erst möglich gemacht haben.


(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich finde, Herr Voigt, ich habe nämlich vorhin bei der Einbringung wirklich kein Lob gehört, im Gegenteil, das war eher eine Schmähung, wie Sie den Hochschuldialog hier abgekanzelt haben. Dabei war er aus unserer Sicht und aus meiner Sicht und auch aus Sicht vieler Beteiligter eben ein Erfolg für eine gelebte Beteiligungskultur. Wir haben ein Jahr lang in drei Phasen mit wirklich allen Hochschulangehörigen statusübergreifend intensiv über ein zentrales Reformprogramm diskutiert und es ist eben keine Reform, wie Sie sagen, die man mal eben über Nacht schreibt. Wir wollen nämlich keine Fortführung des Status quo mit ein paar kleinen Verbesserungen. Wir wollen eine grundlegende Novellierung des Thüringer Hochschulgesetzes, damit wir endlich über eine demokratische, soziale und offene Hochschullandschaft in Thüringen sprechen können.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wenn Sie sagen, dass ernsthaft die Diskussion gesucht werden müsste, dann würde ich noch mal die Frage stellen: Wo waren Sie denn im letzten Jahr? Ich habe Sie nur bei einem Regionalforum gesehen, das war in Jena. Darüber hinaus habe ich Sie und Ihre Fraktion bei keinem der anderen Regionalforen wahrgenommen, wo wir ernsthaft bei jedem Regionalforum 3 Stunden und bei den Werkstattgesprächen bis zu 6 Stunden über die Themen diskutiert haben. Dort war die ernsthafte Diskussion möglich und dort ist sie geführt worden. Da ist es dann Ihr eigenes Verschulden, wenn Sie nicht daran teilnehmen wollten.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Auch wenn Sie sagen, die Eckpunkte liegen nicht vor. Doch, die liegen vor, die liegen nämlich schon seit Ende letzten Jahres vor. Das sind nämlich nicht einfach nur Ergebnisdokumentationen. Die Themenpapiere, die dort vorliegen, sind die Eckpunkte dessen, was verändert werden soll. Dort sind konkrete Vorschläge des Ministeriums gemacht, die dann natürlich jetzt noch im Haus geprüft werden, wie sich das dann rechtlich umsetzen lässt. Darüber hinaus gab es auch noch in der Ergebnisdokumentation der Werkstattgespräche die Bewertung seitens derjenigen, die an den Foren teilgenommen haben. Insofern lässt sich dort auch sehr gut ablesen, was die Eckpunkte der Gesetzesnovelle sind.


(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Was sind denn die Eckpunkte?)


Dann will ich zum Antrag kommen. Ich habe das Gefühl, aber es kann auch, wie gesagt, daran liegen, dass Sie bei den meisten Regionalforen nicht da waren, dass Sie einfach ignorieren, was dort von den Statusgruppen – und zwar wirklich übergreifend – gesagt wurde. Da haben Sie nämlich dann natürlich wirklich nur den selektiven Blick und wollen so ein bisschen nach dem Motto, naja, Hochschulgesetz ist eigentlich alles gut außer ein paar Kleinigkeiten, das Ganze angehen. Sie behaupten nämlich beispielsweise vor allem mit Blick auf die Hochschulstrukturen, auf die Governance, dass sich dort alles im Wesentlichen bewährt hätte. Wie diese Strukturen aber wirken, will ich mal kurz mit einem Zitat von dem Hochschuldialogforum in Weimar hervorheben. Da zitiere ich Herrn Prof. Schmidt-Oberländer, Prodekan der HFM, der Folgendes gesagt hat: „Struktur darf daher aus unserer Sicht Mitwirkung nicht verhindern. In den 90ern und Nullerjahren bis zur Einführung der neuen Hochschulstruktur waren Senat und Konzil die Gremien, die für die Hochschule den Identifikationspool bildeten. Im Senat wurden die wichtigen und wegweisenden Entscheidungen getroffen und das Konzil wählte die Hochschulleitung.“


Jetzt kommt’s: „Ich konnte seither beobachten, dass durch die Einführung des Aufsichtsgremiums Hochschulrat unter einer beträchtlichen Anzahl meiner Kolleginnen und Kollegen diesbezüglich der Möglichkeit der Mitwirkung zunehmend Resignation bzw. Frustration einkehrte. Ein Kollege, ein künstlerischer Leuchtturm, der Senatsdebatten entscheidend mitgeprägt hat, bat unsere Kollegen sogar schriftlich darum, ihn nicht mehr in den Senat zu wählen. Schließlich bewarb er sich aus Weimar weg. In der Strukturkommission hart errungene Vorschläge werden zwar im Senat bestätigt, konnten aber jederzeit vom Präsidium oder dem Hochschulrat verändert werden.“ Das ist keine Meinung, wenn Sie es jetzt abbügeln wollen mit, naja, das sind jetzt hier vielleicht irgendwie die Studierenden, die haben das ja schon immer gefordert. Nein, das war eine Meinung eines Hochschullehrenden, und die hatten wir in ähnlicher Art und Weise auf allen Hochschuldialogforen. Es zeigt sich, dass sich die Hochschulgovernancestrukturen eben nicht in der Art und Weise bewährt haben, wie Sie in Ihrem Antrag darstellen.

Darüber hinaus sind wir zunächst erst mal der Meinung, dass das, was angebracht wurde, nämlich beispielsweise die Vorschläge, dem Senat wieder weitgehende Entscheidungskompetenzen zuzusprechen und den Hochschulrat weitgehend zu einem beratenden Gremium zu machen, können wir voll umfänglich zustimmen, denn ich sage ja auch nicht, dass es den externen Blick nicht braucht. Aber es muss doch tatsächlich die Frage gestellt werden, welche Entscheidungskompetenzen und wirklich weitgehenden Entscheidungskompetenzen diejenigen haben, die direkt durch die Hochschulangehörigen oder die Hochschulmitglieder gewählt werden. Insofern begrüßen wir die Vorschläge, die zur Ausgestaltung der Hochschulentscheidungsstrukturen auf Senatsebene gemacht wurden, dann ausgehend von dem Hochschuldialog, und begrüßen auch, dass jetzt nicht nur das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Medizinischen Hochschule Hannover, sondern darüber hinaus auch die Entscheidung aus Baden-Württemberg zur differenzierten Ausgestaltung des Senats dann mit eine Rolle spielen soll.


Darüber hinaus enthält der Antrag noch einige weitere Vorschläge, wo ich ganz ehrlich sage, dass mir da der Mehrwert der Änderungen noch nicht ganz klar ist. Ich will es an einem Beispiel deutlich machen, was wir auch gerade intensiv unter uns in der Koalition und auch mit den beiden zuständigen Ministerien – dem Wissenschaftsministerium und dem Infrastrukturministerium – diskutieren, auch mit den Hochschulen: die Frage der Bauherreneigenschaft. Sie führen dort an, die Regelung im bayerischen Hochschulgesetz heranzuziehen, die ermöglicht, kleine Baumaßnahmen durch die Zustimmung des Landes in Eigenregie der Hochschule durchzuführen. Da schaue ich in den § 4 des Thüringer Hochschulgesetzes – die Erprobungsklausel – den Absatz 2 und sehe, im Prinzip ist das im Hochschulgesetz schon erlaubt.


(Zwischenruf Keller, Ministerin für Infrastruktur und Landwirtschaft: Es gibt keinen Antrag! Es gibt nicht einen Antrag – konkret!)


Genau, es besteht die Möglichkeit der Antragstellung.

Statt die Regelung aus dem bayerischen Hochschulgesetz zu übernehmen, versuchen wir gerade in einer intensiven Diskussion mit den Hochschulleitungen und den beiden zuständigen Ministerien, dann tatsächlich in dem gesamten Bauplanungsverfahren und auch in der Bauantragstellung zu gucken, wo denn die Probleme liegen, statt jetzt hier die bayerische Lösung heranzuziehen, die aus unserer Sicht im Prinzip nur eine Umformulierung des Status quo ist. Auch die weiteren Forderungen in Ihrem Antrag, beispielsweise die Schaffung gemeinsamer Infrastrukturen und Kooperation in der Ziffer II.4 und 5 erschließt sich mir nicht. Denn was die Kooperation angeht und auch die standardübergreifende Kooperation, ist aus unserer Sicht durch die Hochschulautonomie bereits gewährleistet, auch im Rahmen der strategischen Planung. Da lohnt sich beispielsweise ein Blick in die Ziel- und Leistungsvereinbarungen oder auch in die Hochschulstrategie 2020, die noch in der letzten Legislatur verabschiedet wurde. Da will ich dann das Beispiel Universität Erfurt und Fachhochschule Erfurt heranziehen, die bereits jetzt – das ist auch in der Ziel- und Leistungsvereinbarung festgelegt – möglichst umfassende standortbezogene Verwaltungskooperationen planen und umsetzen sollen. Die Bestrebungen zur Schaffung des Kooperationsverbundes bei den Hochschulbibliotheken oder beim Hochschulrechenzentrum – unabhängig von meiner persönlichen Bewertung – zeigen, dass es auch andere Themenbereiche gibt, wo das möglich ist. Insofern erschließt sich auch hier nicht, wo Ihr Antrag in dem Punkt tatsächlich einen Mehrwert zur aktuellen gesetzlichen Regelung bietet.


Dann bin ich doch – ich bin dankbar, dass es Herr Tiefensee angesprochen hat – sehr verwundert, dass Sie in Ihrem Antrag die Forderung stellen, das Wissenschaftszeitvertragsgesetz zu verbessern, wo ich mir die Debatte aus dem letzten Jahr in Erinnerung rufe und sagen muss, dass es dort noch die Probleme gibt, die auf der Hand liegen. Das hat Ihre Bundesbildungsministerin verbockt. Sie fordern eine Nachbesserung oder eine Verbesserung der Beschäftigungssituation des wissenschaftlichen Nachwuchses durch die umfassende Änderung des Gesetzes mit dem Ziel einer verbindlichen Regelung von Mindestbefristungen. Ich will daran erinnern: Solche verbindlichen Regelungen hat Thüringen im Rahmen der Gesetzesnovellierung im letzten Jahr im Bundesrat mit weiteren Ländern gefordert. Aber diese und viele andere Vorschläge, die genau das geliefert hätten, wurden dann im weiteren Verfahren durch die Bundesregierung – und da eben speziell durch die Bundesbildungsministerin Wanka – wieder kassiert. Was haben wir jetzt im Ergebnis? Unbestimmte Rechtsnormen, die weiterhin dazu führen, dass die Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen die Verträge weitgehend auslegen können. Und Andreas Keller von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft hat erst letzte Woche in einem Gespräch mit dem „Tagesspiegel“ darauf verwiesen, dass einige Universitäten und Forschungseinrichtungen genau diese Schlupffächer suchen und dann schauen, was ihnen das Gesetz ermöglicht. Wie von den Gewerkschaften und Mittelbauinitiativen befürchtet, sind sie da auch sehr kreativ und dann wird alles Mögliche als Qualifizierungsmaßnahme deklariert, um wieder Kurzzeitverträge einzurichten.

Das Gesetz wurde nicht, wie wir es uns gewünscht hätten, so geregelt, dass klar definiert ist, welche Art der Qualifizierung mit welcher Befristungsdauer auch einhergehen kann. Wir wollten das auf Bundesebene, wir wollten die grundlegende Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes. Jetzt diese Forderung zu formulieren, wo im letzten Jahr eigentlich die Möglichkeit einer Umsetzung auf Bundesebene bestand, aber durch die Bundesregierung und vor allem von Frau Wanka nicht in der Konsequenz mitgetragen wurde, ist doch wohl nur Populismus im Vorfeld der Bundestagswahl, Herr Voigt.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Darüber hinaus enthält der Antrag von Ihnen beispielsweise in Punkt II.9 zwar eine lobenswerte Forderung, die sich aber nach unserer Sicht im Gesetz nicht abbilden lässt. Die Intention in dem Punkt kommt, denke ich, doch viel eher der Debatte nahe, die wir morgen führen, wenn wir über die Frage der Open-Access-Strategie und den Themenschwerpunkt „Digitale Bildung und Wissenschaft“ auch mit dem Fokus auf die geplante Digitalisierungsstrategie des Freistaats diskutieren.


Am Ende bleibt aus unserer Sicht zu Ihrem Antrag nur festzustellen: Sie verweigern sich bewusst dem großen Änderungsbedarf, der durch die Hochschulangehörigen bei den Regionalforen geäußert wurde. Sie wollen mit Ihren Forderungen lediglich einige wenige Stellschrauben drehen, wie gesagt, der Status quo soll weitgehend erhalten bleiben. Damit konterkarieren Sie das, was der Hochschuldialog gezeigt hat und auch die Diskussionsergebnisse, die wir bei sieben Dialogforen jeweils drei Stunden lang und bei den insgesamt zwölf Stunden Gewerkschaftsgesprächen diskutiert haben. Das wird dem nicht gerecht, was die Leute, die sich dort eingebracht haben und mitdiskutiert haben, an Forderungen vorgelegt haben.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir wollen im Gegensatz zur CDU-Fraktion diese Ergebnisse des Hochschuldialogs nicht einfach so in die Tonne drücken. Wir nehmen die Anregung der Hochschulangehörigen sehr ernst und messen an den Ergebnissen des Hochschuldialogs dann auch den bald vorliegenden Referentenentwurf aus dem Wissenschaftsministerium. Wir wollen durch die Stärkung der Senate und der paritätischen Besetzung mehr Demokratie an den Hochschulen. Wir wollen durch die flächendeckende Einführung von Diversitätsbeauftragten und die Stärkung der Gleichstellungsbeauftragten offenere Hochschulen. Wir wollen auch mit den klaren Regelungen und einem Kodex für die gute Arbeit in der Wissenschaft, der dann auch gesetzlich verankert ist, eine sozialere Hochschule. Deshalb kann ich es nur noch betonen: Orientieren wir uns an dem, was bei den Hochschuldialogforen an Forderungen auf den Tisch gelegt wurde! Es gehört für uns selbstverständlich dazu, wenn wir diesen Dialogprozess initiiert haben, diese Forderungen dann auch letztendlich in der großen Novelle einfließen zu lassen. Deshalb lehnen wir den Antrag der CDU ab.


An der Stelle will ich mich bei all denen bedanken, die intensiv an den Hochschuldialogforen teilgenommen haben, die die Forderungen auf den Tisch gelegt haben und die gezeigt haben, es reicht eben nicht, ein neues Hochschulgesetz über Nacht zu schreiben. Die Problemlagen sind vielfältig, die müssen entsprechend abgebildet werden. Ich vertraue da auch in das Haus, dass jetzt entsprechend durch die Prüfung geschaut wird, wie das alles rechtssicher umgesetzt werden kann. Ich freue mich dann auf die weitere Debatte wahrscheinlich im Herbst mit den entsprechenden Akteuren zum konkreten Gesetz. Danke schön.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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