Heute schon an morgen denken: Gründerkultur stärken – Unternehmensnachfolge erleichtern

Christian Schaft

Zum Antrag der Fraktion der FDP - Drucksache 7/2582

 

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Werte Kolleginnen und Kollegen, werte Zuschauer/-innen auf der Tribüne und am Livestream! Herr Henkel, manchmal lohnt doch noch mal das genaue Hinhören. Der Kollege Schubert hat keineswegs in Abrede gestellt, dass es notwendig ist, die Nachfolge zu unterstützen, er hat lediglich gesagt, dass die Ideen, die die FDP-Abgeordnetengruppe hier vorlegt, vielleicht nicht in dem Maße geeignet sind, wie wir uns das vorstellen und auch zu der Frage, was die Kollegin Lehmann gesagt hat Richtung Bayern, sie hat jetzt nicht einfach nur nach Bayern geguckt, sondern noch mal darauf hingewiesen, dass offensichtlich die FDP-Abgeordnetengruppe im Parlament hier keine eigenen Ideen auf den Tisch bringt, sondern aus Bayern auch noch schlecht abschreibt. Das vielleicht noch mal zur Klarstellung.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Ich bin auch noch mal vorgegangen, um den Schwerpunkt zu legen, während der Kollege Schubert auf die Frage der Wirtschaftspolitik eingegangen ist, zu schauen, was eigentlich von dem Antrag „Heute schon an morgen denken: Gründerkultur stärken – Hochschulen zu gründerfitten Hotspots weiterentwickeln“ zu halten ist. Wer wirklich heute schon an morgen denken will, der sollte sich mit dem Heute hier und jetzt vielleicht auch noch ein bisschen intensiver auseinandersetzen. Garniert mit einem Spruch, der klingt wie aus der Resterampe einer Marketingabteilung einer deutschen Versicherungsgesellschaft, kommen zwar markige Forderungen hervor, aber wenig der Blick auf das, was an den Thüringer Hochschulen im Bereich der Gründungsunterstützung tatsächlich schon passiert. Die ganzen Instrumente, die in Thüringen geschaffen wurden, will ich hier an der Stelle noch mal nennen, beispielsweise ganz zentral das Thüringer Hochschulgründernetzwerk zur Förderung von innovativen Gründungen. Auch in der Begründung des Antrags sei vielleicht noch mal mit dem Blick auf das Hier und Jetzt gelegt: Sie stellen auf den Gründungsmonitor der KfW aus dem Jahr 2020 ab. Da liegt Thüringen noch auf Platz 14, im KfW-Gründungsmonitor von 2021 aber auf Platz 11. Also durchaus eine Verbesserung, die man an der Stelle auch mal honorieren kann, um zu sehen, dass Instrumente wirken. Das Hochschulgründernetzwerk hat acht Anlaufstellen an den Thüringer Hochschulen mit einer kompetenten Unterstützung für gründungsinteressierte Studierende, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und Absolventinnen und Absolventen mit einem Leistungsangebot, das sich über Beratungs- und Coachingsleistungen zu unterschiedlichsten Themen wie dem Gründungsprozess erstreckt, bis hin zur Qualifizierung von Lehrangeboten, Netzwerkkontakten, Räumlichkeiten sowie dem Zugang von Fördermöglichkeiten. Beispiele könnte man jetzt am laufenden Band aufzählen. Ich will eines nennen: Beispielsweise der Ilmkubator oder das Technologie- und Gründerzentrum an der TU Ilmenau. So könnte man das peu à peu noch durch die anderen Hochschulen durchdeklinieren.

 

Dass wir diese Strukturen stärken wollen, das wurde auch mit der Rahmenvereinbarung V verankert. Die Unterstützungsstrukturen für die Gründungsaktivitäten sind dort, ebenso wie der Ausbau der Kooperation zwischen den Hochschulen und den regionalen Wirtschaftspartnern, verankert. Für Aufgaben, die dadurch auch eine Unterstützung erfahren, werden zusätzlich Mittel des Landes bereitgestellt. Wir haben das bei der Rahmenvereinbarung immer wieder gehabt, die jährlich um 4 Prozent wächst, also auch da ist eine finanzielle Unterstützung da. Mit der Gründerperspektive haben wir auch in Thüringen – der Kollege Schubert hat die STIFT schon erwähnt, die Stiftung für Technologie, Innovation und Forschung – ein weiteres Instrument geschaffen. Ziel der STIFT – die seit Jahren auch schon wirkt – und der Strukturen wie ThEx innovativ ist es, die Gründungsprozesse zu begleiten, Kooperationspartner zu gewinnen, Netzwerke herzustellen und Investoren zu gewinnen. Das sind Angebote, die Sie mit Ihrem Antrag durchaus einfach negieren. Denn darum muss es am Ende gehen: zu schauen, welche Strukturen wir bereits haben und wo dort vielleicht die Leerstellen sind, die es zu füllen gilt. Wenn wir den Prozess von der Gründung, von der ersten Idee bis zur Marktfähigkeit erfolgreich begleiten wollen, statt so, wie es in dem Antrag der FDP-Abgeordnetengruppe steht, einfach mal unternehmerisches Denken für alle überall reinschreiben wollen, um damit künstlich Gründungen zu erzeugen, einfach nur, damit die Statistik und die Zahlen stimmen – Aber die Qualität, und nicht die Quantität, ist hier entscheidend.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

(Zwischenruf Abg. Montag, Parlamentarische Gruppe der FDP: Das entscheidet der Markt!)

 

Der Markt, genau.

 

(Unruhe DIE LINKE)

 

Und, Herr Montag, die FDP-Phrase …

 

Vizepräsidentin Henfling:

 

Meine sehr geehrten Abgeordneten, der Abgeordnete Schaft hat das Wort, und ich bitte doch, Dialoge im Saal einzustellen.

 

Abgeordneter Schaft, DIE LINKE:

 

Auch die FDP-Phrase nicht nur des Markts, sondern auch des unternehmerischen Denkens, das in allen Ecken und Enden der Hochschulen Einzug halten soll, empfinde ich als Problem. Ich streite gar nicht ab, dass Unternehmen und insbesondere innovative Gründungen für Thüringen als Wirtschaftsstandort wichtig sind, aber mit Ihrem Antrag bleibt doch die Antwort auf die Frage offen, was für Unternehmensformen Sie da eigentlich meinen, ob denn tatsächlich die ganze Bandbreite der Art zu wirtschaften und der unternehmerischen Tätigkeit bei der FDP überhaupt Platz hat. Übrigens eine spannende Frage auch vor dem Hintergrund, dass Sie sicherlich unsere Forderungen nach der Stärkung pluraler Ökonomik an den Hochschulen, um den neoliberalen Mainstream zu brechen, als Ideologie bezeichnen würden, während es aber offensichtlich überhaupt kein Problem ist, wenn Sie vermeintlich ideologiefrei ein eindimensionales Bild von unternehmerischer Selbstständigkeit Einzug in die Hochschulen halten lassen wollen.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Aber das sei nur am Rande erwähnt. Ich will noch mal auf die einzelnen Forderungen des Antrags im Punkt 7 c) eingehen. Sie fordern, dass die Landesregierung die Unternehmensgründungen von Studierenden in Form von ECTS-Punkten im Studium fördern soll. Also ganz ehrlich, da habe ich ganz kurz an der hochschul- und wissenschaftspolitischen Kompetenz Ihrer Abgeordnetengruppe gezweifelt. Die FDP als Freiheitspartei, die die Autonomie immer hochhält, fordert quasi den direkten Eingriff der Landesregierung in die Modulkataloge der Hochschulen. Ist das wirklich Ihr Ernst?

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Haben Sie darüber hinaus schon mal den Blick auf die Aufgaben im Thüringer Hochschulgesetz geworfen? In § 5 Abs. 1 Satz 3 steht: Sie – also die Hochschulen – bereiten auf berufliche Tätigkeiten einschließlich unternehmerischer Selbstständigkeit vor. Und in Verbindung mit § 5 Abs. 2 wird es dann noch konkreter, denn da steht: Der Wissens- und Technologietransfer umfasst insbesondere Kooperation, Patentierung, Lizenzierung und Ausgründung. Zur Erfüllung dieser Aufgaben sind geeignete Unterstützungsstrukturen vorzuhalten und angemessen auszustatten. Die Hochschulen haben damit also bereits den gesetzlichen Auftrag und den notwendigen Handlungsspielraum, um entsprechend beispielsweise Studien- und Prüfungsordnungen so zu gestalten, dass eine wie von der FDP geforderte Honorierung bei den ECTS-Punkten möglich ist. Aber das muss auch immer in das jeweilige Studiengangkonzept passen und am Ende natürlich auch einer Akkreditierung zur Sicherung der Qualität der Studiengänge gerecht werden. Das Gleiche gilt auch für die Vermittlung von entsprechenden Fertigkeiten und Fähigkeiten, wie sie in Nummer 3 im Bereich der Curricula das fordern. Das können die Hochschulen – exemplarisch zeigt das der Lehrgang „Unternehmensgründung und  führung“ an der TU Ilmenau – bereits auch jetzt mit Angeboten an allen Fachrichtungen für die Mitarbeiterinnen und Studierenden im dortigen Studium generale. Das ist auch der richtige Ansatz, denn nicht jeder Studiengang braucht sein eigenes inhaltliches Angebot zur unternehmerischen Tätigkeit, wo einfach mal jeder durchmuss. Nein, es braucht die studiengangübergreifende, freiwillige Möglichkeit, um diejenigen anzusprechen, die mit ihrer Idee und dem Gründerinnen-Geist etwas entwickeln wollen.

 

(Beifall DIE LINKE)

 

Dann fordern Sie in Ihrem Antrag noch die sogenannten Founding Sabbaticals, also einen neuen Befreiungstatbestand in der Thüringer Lehrverpflichtungsverordnung. Auch hier zeigen Sie kein Gespür für die Bedürfnisse insbesondere des wissenschaftlichen Mittelbaus an den Hochschulen. Da ist offensichtlich die Debatte um die Beschäftigungssituation der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen unter dem Hashtag „#IchbinHanna“ völlig an Ihnen vorbeigegangen. Die Frage von Innovation und Potenzialen für die Ausgründung schaffen wir vielmehr durch Planungssicherheit und sichere Karriereperspektiven für die Wissenschaftlerinnen. Manche Wissenschaftlerinnen würden sich freuen, wenn sie Projektzeiträume überhaupt hätten, die die Möglichkeit für so einen Sabbatical eröffnen, auch wenn die Befristungsquote in Thüringen deutlich unter denen anderer Bundesländer liegt und die Landesregierung bei der Rahmenvereinbarung und der Verwendung der Zukunftsmittel aus dem Bund hier auch noch mal einen Schwerpunkt gelegt hat.

 

Zu Punkt 3 c, den MakerSpaces: Auch hier lohnt sich noch mal der Blick auf das, was ist, denn die FDP hat es nicht erfunden. Solche Orte gibt es auch bereits. Die müssen dann auch nicht neu erfunden werden. Ich erinnere hier an die Gründerinnen-Werkstatt neudeli an der Bauhaus-Universität in Weimar – übrigens eine der ältesten in Deutschland –, 2001 ins Leben gerufen, oder auch die Lichtwerkstatt in Jena, einem MakerSpace, wo jeder und jede mit Interesse an den Themengebieten „Licht und Optik“ neben dem freien Zugang zu modernen technischen Geräten auch das notwendige Know-how für die Entwicklung und der Realisierung der eigenen Ideen erhält.

 

Zu Punkt 4 ganz kurz – ein Fonds, in den das Land Thüringen einzahlt, aus denen die Hochschulen ihre Ideen für gründerfitte Hotspots entwickeln können: Ja, den gibt es auch schon. Es nennt sich Globalbudget der Hochschulen. Dort werden die Mittel bereitgestellt, jährlich 4 Prozent wachsend, damit die Hochschulen ihre eigenen strategischen Schwerpunkte setzen können. Und wenn sie dann zusätzlich noch eine Idee haben für ein innovatives Projekt im Bereich der Gründerinnen-Szene, dann haben wir den Strategie- und Innovationsfonds des Landes, wo die Hochschulen auch durchaus einen Antrag stellen können.

 

Mit Ihrer Forderung im Punkt nach Innovationsmanagerinnen, die Technologiewettbewerbe organisieren, neue Trends identifizieren und Gründerinnen unterstützen, laufen Sie sehenden Auges in die Schaffung von Doppelstrukturen – Doppelstrukturen, die den Innovationsmotor eher zum Stottern bringen, als ihn weiterzuentwickeln.

 

(Zwischenruf Abg. Schubert, DIE LINKE: Bürokratieaufbau ist das!)

 

Genau, der Kollege Schubert sagt es: neue Hürden, neue Bürokratie.

Die ganzen bereits erwähnten Unterstützungsstrukturen gibt es und denen gilt es den Rücken zu stärken. Mit Wettbewerben wie dem Innovationspreis Thüringen gibt es auch bereits Instrumente, die dazu beitragen, Trends und erfolgreiche Projekte zu identifizieren und auch zu honorieren.

 

Wie bereits gesagt, die Steigerung der Zahl der Gründungen allein macht noch keine Innovation und schon gar keine nachhaltige, wenn wir über die Frage der Ausrichtung des Innovationspotenzials in Thüringen diskutieren. Kollege Schubert hat auch schon darauf verwiesen, was wir als Rot-Rot-Grün im Koalitionsvertrag vereinbart haben, um hier die bestehenden Instrumente fortzuentwickeln.

 

Lassen Sie uns wirklich daran weiterdiskutieren, gucken, welche Strukturen wir stärken können, statt neue Doppelstrukturen zu schaffen. Aufgrund der genannten Punkte, wo ich sagen kann, da schaffen Sie nur sehenden Auges etwas Neues zu dem bereits Bestehenden und stärken die bestehenden Strukturen nicht, lehnen wir auch diesen Antrag ab. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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