Zweites Gesetz zur Änderung des Thüringer Erwachsenenbildungsgesetzes

RedenChristian SchaftBildung

Zum Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 6/2676


Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen, sehr geehrte Gäste auf der Tribüne! Frau Muhsal, ich könnte mir vorstellen, wenn es nach Ihnen geht, dann hätten wir wahrscheinlich bald an den Einrichtungen der Erwachsenenbildung Seminare, die Titel tragen wie „Hass, Hetze, Höcke – wie ich jeden meiner Redebeiträge möglichst rassistisch auflade“.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Vielleicht sollten Sie aber eher mal einen Beitrag oder eine Einrichtung besuchen, um zu lernen, wie man zum Thema spricht. Ich glaube, wir haben uns keinen besseren Tag aussuchen können als heute, um über die Einbringung des Gesetzes zur Novellierung des Thüringer Erwachsenenbildungsgesetzes reden zu können, denn heute am 29. September ist der 6. Deutsche Weiterbildungstag unter dem Motto „Weiterbildung 4.0 – fit in die digitale Welt“. Das war unter anderem auch ein Themenschwerpunkt bei der Eröffnung der Mitgliederversammlung des Thüringer Volkshochschulverbands am Dienstag, zu dem ich aber gleich noch mal komme.


Frau Ministerin hat es schon gesagt: Der Mensch lernt nie aus. So heißt es richtigerweise. Lernen und Sich-Bilden, das sind beides lebenslange Prozesse die eben nicht mit dem Erwerb eines berufsbildenden Abschlusses enden. Die Möglichkeit auf Strukturen zurückgreifen zu können, die ein lebenslanges und eben auch individuelles Lernen zulassen, bieten die Einrichtungen der Thüringer Erwachsenenbildung sowohl bei den freien Trägern als auch bei den Volkshochschulen und sie bieten eine unglaublich vielfältige Palette an Bildungsangeboten. Über die Bereiche Gesundheit, Kunst, Kultur, Kreativität kommt den Einrichtungen der Erwachsenenbildung aber auch gerade in der aktuellen Zeit einer zunehmenden Polarisierung der Gesellschaft, wo wir auch über hate speech in der digitalen Welt beispielsweise in den sozialen Netzwerken reden, eine besondere Bedeutung zu, weil auch hier im Bereich der gesellschaftspolitischen Bildung die Einrichtungen eine wichtige Funktion übernehmen mit dem Angebot, was sie anbieten. Darüber hinaus sind die Bildungseinrichtungen und Träger der Erwachsenenbildung auch unverzichtbare Partnerinnen und Partner bei der Frage der Integration und Integrationsarbeit, wenn wir über die Integrationskurse oder Sprachkurse sprechen.


Ich habe es vorhin schon kurz erwähnt, bei der Eröffnung der Mitgliederversammlung des Thüringer Volkshochschulverbands am Dienstag in Jena haben die Volkshochschulen daher völlig zu Recht betont, dass sie durch ihre schnelle und flexible Reaktion im letzten Jahr mit der Einrichtung weiterer Sprach- und Integrationskurse einen nicht unerheblichen Teil dazu beigetragen, um eine gelingende Integration der in Thüringen Ankommenden zu gewährleisten. Gerade im Bereich der interkulturellen Bildung haben die Akteure der Erwachsenenbildung im Rahmen der letzten Haushaltsverhandlungen durch zusätzliche Projektmittel, insgesamt über weitere 250.000 Euro, noch mal Mittel erhalten, um hier beispielsweise auch Projekte der Fort- und Weiterbildung auch bei Lehrkräften, Unterstützerinnen und Unterstützern und hauptamtlich wie ehrenamtlich Aktiven in der Flüchtlingsunterstützungsarbeit zu stemmen und auch hier das Angebot zu erweitern. Und am Dienstag, das wurde jetzt auch schon ein paar Mal erwähnt, wurde natürlich auch noch einmal hervorgehoben, welchen wichtigen Beitrag die Volkshochschulen – und damit auch die ganze Bandbreite der Träger – auch in Thüringen zur Bekämpfung des Analphabetismus leistet und leisten wird. Wenn wir auch über die Frage der Öffnung für die freien Träger sprechen und wenn wir auf die Schätzung blicken, auch diese Zahl ist schon genannt worden, dann haben wir eben das Problem, dass über 200.000  funktionale und sekundäre Analphabetinnen in Thüringen leben. Da gebe ich Ihnen recht, Herr Grob, geht es auch darum zu schauen, gemeinsam zu schauen, wie wir auch mehr Leute ansprechen können, damit sie eben nicht aufgrund des Stigmas nicht den Weg zu den Einrichtungen suchen, sondern ermutigt werden, diesen Weg zu gehen.


Und auch nicht zuletzt erhalten die Menschen eben die Möglichkeit, Ihren Bildungsweg erfolgreich neu zu gehen, beispielsweise über die Angebote des zweiten Bildungswegs, wenn es darum geht, Schulabschlüsse nachträglich nachzuholen. Das zeigt, welche unglaubliche Vielfalt und welche inhaltliche Palette die Einrichtungen der Erwachsenenbildung in Thüringen anbieten und weswegen Sie eben eine unverzichtbare Säule im Thüringer Bildungssystem sind.


Ich bin den Teilnehmern der Diskussion am Dienstag bei der Eröffnung der Mitgliederversammlung des Thüringer Volkshochschulverbandes auch noch einmal dankbar, dass sie darauf hingewiesen haben, dass es noch etwas Weiteres gibt, was zu beachten ist. Die Einrichtungen der Erwachsenenbildung in Thüringen leisten nämlich noch etwas viel Wichtigeres: Sie bieten auch ein vielfältiges Bildungsangebot jenseits von Verwertungslogik, nämlich auch einfach Angebote, wo den eigenen Interessen nachgegangen werden kann, für sich selbst gelernt werden kann, ohne dass am Ende zwingend ein Abschluss stehen muss. Ich will das noch einmal ganz kurz in den Zahlen wörtlich machen, was das bedeutet. Der Jahresbericht der Volkshochschulen ist sicherlich allen hier im Hause zugegangen. Die 23 Einrichtungen des Verbandes haben über 10.292 Kurse, Vorträge und Veranstaltungen durchgeführt. Das sind insgesamt über 240.000 Unterrichtseinheiten und das bedeutet: Über 112.000  Menschen haben an den Veranstaltungen teilgenommen und über 3.000  Kursleiter – hauptamtlich wie ehrenamtlich – haben dies überhaupt erst möglich gemacht und da spreche ich nur von den Volkshochschulen. Da sprechen wir noch nicht über die freien Träger und da bin ich auch Astrid Rothe-Beinlich sehr dankbar und will das an der Stelle auch noch einmal machen: Ein herzlicher Dank an all die, die das überhaupt möglich machen!


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Um dieses Angebot in Thüringen zu erhalten und ausbauen zu können, haben wir uns im Koalitionsvertrag, wie schon so oft gesagt, darauf verständigt, das Erwachsenenbildungssystem zur vierten Säule zu machen. Das bedeutet aber auch, dass die Erwartungen an den Gesetzentwurf natürlich berechtigt hoch sind und sich auch am Ende nach der zweiten Lesung der Gesetzentwurf an diesen Erwartungen messen lassen muss. Die Erwartungen sind auch hoch, weil mit dieser Gesetzesnovelle nun endlich die Möglichkeit besteht, ebenso wie mit den Haushaltsverhandlungen Doppelhaushalt 2018/2019, die erheblichen strukturellen und finanziellen Einschnitte aus den 2000er-Jahren unter der CDU wieder zurückzunehmen, und diesen Schritt wollen wir mit den 1,2  Millionen Euro, die wir draufpacken wollen, nun gehen. Denn aus einem ehemals gut ausgestatteten Gesetz wurde eines, das den Grundsatz der Projektförderung statt einer ausreichenden Grundförderung der Erwachsenenbildung hat Einzug halten lassen. Das Ergebnis war eine nachhaltige Schädigung des institutionellen Charakters der Erwachsenenbildung in Thüringen und statt unbefristeten Vollzeitarbeitsplätzen haben wir dann auch hier mittlerweile viele befristete Teilzeitarbeitsverhältnisse und haben auch hier noch Nachholbedarf, wenn wir hier auch über gute Arbeit im Bildungsbereich sprechen. Einen ersten Schritt haben wir beispielsweise auch schon im letzten Jahr gemacht. Ich habe es vorhin kurz angesprochen. Wir haben 250.000 Euro zum einen für den Bereich der Bildungsangebote von besonderem öffentlichen Interesse zur Verfügung gestellt und wir haben aber auch schon da für die drei Einrichtungsgruppen pro Haushaltsjahr 2016 und 2017 jeweils 3 Prozent on top an finanziellen Mitteln gegeben und wollen das Ganze – wie schon erwähnt – mit den 30.000 Euro zusätzlich dann nach 2018/2019 noch einmal um 1,2 Millionen Euro aufstocken. Dazu müssen aber im Landeshaushalt die Mittel erst einmal bereitgestellt werden, ohne dass dafür aus unserer Sicht in anderen Bereichen des Bildungssystems gekürzt werden muss. Wir wollen uns daher als Fraktion Die Linke in diesem Zusammenhang stark dafür machen, dass die Mittel in der kommenden Haushaltsverhandlung entsprechend zusätzlich zur finanziellen Unterstützung der Erwachsenenbildung bereitgestellt werden.


Aber mit dieser Sockelerhöhung allein ist es nicht getan. Wenn wir wollen, dass die Mittelerhöhung nicht durch das Gießkannenprinzip verloren geht, müssen wir gemeinsam mit den Einrichtungen eine gesetzliche Lösung auch dazu finden, wie eben eine variable Stundenförderung ausgestaltet werden kann für die Unterrichtseinheiten, um einen unbeabsichtigten Fehlanreiz zu verhindern und auch Vorschläge zu diskutieren, wie eben ein dynamisch angelegter Fördersatz im Gesetz implementiert werden kann. Und um beispielsweise auch die Beschäftigungsbedingungen der Tätigen in der Erwachsenenbildung zu verbessern, sollten wir auch diskutieren – auch das ist eine Forderung, die seitens der Träger oft eingebracht wurde –, ob nicht eine normative Orientierung an den Eingruppierungen im Tarifvertrag der Länder vorgenommen werden kann, damit die Beschäftigten dort beispielsweise auch von Tarifsteigerungen profitieren und wir auch hier einen weiteren Schritt im Themenfeld „Gute Arbeit im Bildungsbereich“ gehen können. Diese und andere Möglichkeiten haben wir auch bereits gemeinsam in einem Fachgespräch, gemeinsam mit den Kolleginnen von SPD und Grünen, mit Vertreterinnen und Vertretern der Erwachsenenbildungseinrichtungen, schon diskutiert, haben uns dort sicherlich schon im Vorfeld der Anhörung den einen oder anderen Anreiz mitgenommen und werden die sicherlich auch in die kommende Debatte und dann in die Anhörung mit einbringen. Sicherlich werden diese Punkte noch einmal mit angesprochen von den Trägern.


Zu begrüßen ist am vorliegenden Gesetzentwurf, wie auch schon erwähnt, zum einen erst mal der Prozess, wie es überhaupt zu den Änderungen gekommen ist. Es gab hier auf der Arbeitsebene zwischen den Ministerien und den Trägern lange gemeinsame Gespräche, um in Detailfragen zu Lösungen zu kommen, und wir begrüßen es auch insbesondere, dass eben der inklusive Anspruch von Bildung nun auch hier in diesem Gesetz Eingang findet, und zwar als weiter Inklusionsbegriff. Darüber hinaus werden auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Qualitätssicherung, zur Evaluation der Veranstaltungen und auch die Berichtspflicht bzw. die Frage des Berichtswesens konkretisiert ausgestaltet. Wir erhalten jetzt auch mit dem Weiterbildungsbericht die Möglichkeit, auch hier im Parlament dann alle fünf Jahre zu schauen, ob die Änderungen, die am Gesetz vorgenommen werden, auch greifen und ob wir da auf einem guten Weg sind oder ob möglicherweise gesetzlich nachgesteuert werden muss, um die Grundlagen und Rahmenbedingungen der Erwachsenenbildung in Thüringen zu verbessern. Auch bei einem Punkt sind wir offen dafür, zu diskutieren. Der Punkt wurde auch am Dienstag bei der Eröffnung der Mitgliederversammlung des Thüringer Volkshochschulverbands angesprochen. Das ist die Herausforderung der Erwachsenenbildung im ländlichen Raum. Ich glaube, auch da werden wir fraktionsübergreifend sicherlich schauen, welche Möglichkeiten vielleicht mit Blick auf Ausnahmen bei der Frage der Teilnehmenden bestehen, die momentan grundsätzlich im Gesetz mit acht festgeschrieben ist, also ob es hier nicht Öffnungsklauseln entweder für bestimmte Angebote oder aber möglicherweise eine Quote geben kann, damit wir auch der Herausforderung Herr werden, dass im ländlichen Raum diese Teilnehmerzahl nicht immer wahrgenommen werden kann und es dann zulasten derer geht, die die Kurse wahrnehmen, entweder möglicherweise durch eine Erhöhung von Beiträgen oder aber dadurch – der noch schlimmere Fall –, dass ein Kurs gar nicht stattfinden kann. Ich glaube, dem sollten wir begegnen. Da sollten wir gemeinsam eine Lösung finden, um auch hier das Gesetz an dem Punkt zu verbessern.


Ich glaube, wir haben mit dem Gesetzentwurf erst mal eine gute Diskussionsgrundlage, auf der wir aufbauen können. Auch ich freue mich auf die Debatten während der Anhörung. Ich glaube, Herr Grob, die Einladung können Sie aufrechterhalten, denn so, wie das jetzt klang, wird es hier eine breite Zustimmung zur Ausschussüberweisung geben. Damit bitte ich ebenso um die Überweisung an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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