BAföG-Zahlen in Thüringen wieder erhöhen - Studienfinanzierung an studentische Lebensrealität anpassen!

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 6/4415


Werte Kolleginnen, werte Kollegen, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Tribüne und am Livestream! Mehr Bildungsgerechtigkeit und bessere Bildungschancen, das waren die Ziele, mit denen bei der Einführung des BAföG geworben wurde. Das Bildungsministerium hat auf seiner Internetseite auch angekündigt bzw. gesagt, das BAföG soll ein Garant dafür sein, dass Jugendliche unabhängig von der finanziellen Situation ihrer Eltern eine Ausbildung oder ein Studium aufnehmen können. Schauen wir uns aber die aktuelle Fördersituation an, dann zeigt sich ein anderes Bild. Von einem Garanten für Bildungsgerechtigkeit sind wir tatsächlich noch ein Stück weit entfernt.


Warum? Werfen wir einen Blick auf die aktuellen Zahlen. In Thüringen sind laut dem Landesamt für Statistik die Zahlen der BAföG-Empfänger im Vergleich zum Vorjahr um 6,2 Prozent zurückgegangen. Damit setzt sich ein Trend fort. Derzeit bekommen in Thüringen lediglich 30 Prozent der Studierenden eine Ausbildungsförderung nach dem BAföG. Der überwiegende Teil ist also auf die Finanzierung durch die Eltern oder durch einen Nebenjob angewiesen, teilweise auch Studierende, die BAföG beziehen.


Da lässt sich die Frage stellen: Was bleibt denn von der großen Versprechung, die aus der großen BAföG-Novelle 2014 hervorgegangen ist? Neben dem leichten Anstieg der durchschnittlichen Förderung aufgrund der Anhebung der Fördersätze bleibt nicht viel. Selbst die Erhöhung der Fördersätze hat nicht mit der allgemeinen Preisentwicklung und der Inflation Schritt gehalten und wurde faktisch wieder aufgefressen. Kein Wunder, denn die letzte Erhöhung liegt auch sechs Jahre zurück. Offensichtlich hat auch die allgemeine Lohnentwicklung dazu geführt, dass die Anhebung der Einkommensfreibeträge der Eltern verpufft sind. Angekündigt waren bundesweit 110.000 mehr Studierende und Schüler, die in den Genuss des BAföG kommen. Aber die anfangs bemühten Zahlen zeigen ein anderes Bild. Ganz ehrlich, dies ist angesichts der dieses Jahr mehrfach belegten Notwendigkeit der Ausbildungsförderung nach dem BAföG ein Armutszeugnis.


Im Mai dieses Jahres veröffentlichte das Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie im Auftrag des Deutschen Studierendenwerkes eine Studie zur Ermittlung der Lebenshaltungskosten von Studierenden. Das erschreckende Ergebnis der Studie war, dass selbst der Förderhöchstsatz von 735 Euro eben in den meisten Fällen nicht ausreicht, um die tatsächlichen Lebenshaltungskosten zu finanzieren. Grundproblem ist laut der Studie, dass die realen Miet- und Nebenkosten in der Regel weit über der Mietpauschale liegen und daher die erhöhten Ausgaben bei anderen Positionen eingespart werden müssten, zulasten des Grundförderbetrags. Angesichts der niedrigen Ausgaben aus diesem Grund vor allem bei einkommensschwachen Studierenden kommt der Generalsekretär des DSW sogar dazu, von verdeckter Armut und einem dringenden Handlungsbedarf zu sprechen. Dass das Geld nicht reicht und die Zahl der Empfänger und Empfängerinnen sinkt, zeigen auch die aktuellen Daten der 21. DSW-Sozialerhebung. Die Zahl der Studierenden, die ihre Studienfinanzierung durch einen Nebenverdienst aufstocken müssen ist deutlich gestiegen, vor allem besonders deutlich bei Studierenden aus einem Elternhaus ohne einen akademischen Bildungshintergrund.


Angesichts eines vorgesehenen Arbeitsaufwands im Bologna-System mit den ECTS-Punkten von 40-Wochenstunden in der Regelstudienzeit verwundert es dann auch nicht, dass zusätzliche Arbeitszeiten im Nebenjob sich dann negativ auf die Studiendauer auswirken. Wie wichtig die Förderung ist, zeigt ebenfalls ein Ergebnis der DSW-Sozialerhebung, wenn dort 80 Prozent der BAföG-Geförderten sagten, ohne die BAföG-Förderung hätten sie ein Studium nicht aufnehmen können.


Nun stellt sich die Frage: Was lernen wir daraus? Eine unregelmäßige Erhöhung der Bedarfssätze und der Freibeträge, wenn es politisch opportun scheint oder eben gerade mal passt, reicht nicht aus. Wenn wir mit dem wichtigen Förderinstrument des BAföG wirklich mehr Bildungsgerechtigkeit erreichen wollen, brauchen wir vier Punkte:

Der erste Punkt ist die sofortige Anhebung der Fördersätze und der Freibeträge zur Bereinigung der Kostenentwicklung der letzten Jahre.


Der zweite Punkt ist die automatische Anpassung der Fördersätze und der Freibeträge an die reale Preisentwicklung beziehungsweise Kostensteigerung, nämlich dynamisierend jährlich.


Der dritte Punkt ist die Anpassung der Förderhöchstdauer an die realen Studienbedingungen und Studienzeiten, das heißt, eine noch bessere Berücksichtigung von ehrenamtlichem Engagement, Studieren mit Kind, Studium und Pflege von Angehörigen oder beispielsweise dem Studium mit chronischer Krankheit oder Behinderungen.


Der vierte Punkt ist ein besserer Zugang durch die Lockerung beispielsweise, wenn wir über die Frage der Altersgrenze reden oder die unsägliche Sonderregelung beim Zugang von BAföG für Personen mit bestimmten Aufenthaltstiteln, die 15 Monate auf die BAföG-Förderung warten müssen.


Nur dann werden wir den studentischen Lebensrealitäten wirklich gerecht und können sie anerkennen. Im Koalitionsvertrag haben wir uns als rot-rot-grüne Koalitionsfraktionen darauf verständigt, eine umfassende BAföG-Reform anzuschieben und uns dafür einzusetzen, unter anderem auch mit den Punkten, die ich eben gerade aufgeführt habe. Ich kann an der Stelle, glaube ich, auch im Sinne des Koalitionsvertrags sagen, dass wir bereit sind, eine solche Reform anzuschieben und auch zu begleiten.


Zum Schluss: Als Linke sind wir zusätzlich noch der Meinung, dass wir, wenn wir das BAföG wirklich langfristig ausbauen wollen, um mehr Bildungsgerechtigkeit zu erreichen, ein elternunabhängiges, rückzahlungsfreies Förderinstrument entwickeln müssen. Das ist aus meiner Sicht haushaltspolitisch auch möglich, wenn wir die richtigen Prioritäten auf Bundesebene setzen und zugunsten von Bildung umverteilen. Vielen Dank.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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