Eine Open-Access-Strategie für die Thüringer Hochschulen

Zum Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/3439


Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, der eine Zuschauer und die Zuschauerinnen und Zuschauer am Livestream! Herr Bühl, es freut mich, dass wir zumindest im ersten Teil des Antrags scheinbar doch auch mit unseren Forderungen den Antrag der CDU-Fraktion getroffen haben. Schade allerdings, dass in Punkt 2, der aus unserer Sicht auch ein zentrales Element dieses Antrags darstellt, die Bereitschaft noch nicht da ist. Da kann ich sagen, hier ist der Unterschied zwischen Rot-Rot-Grün und der CDU. Wir haben die Bedarfe in den Gesprächen erkannt und wollen deswegen jetzt aktiv gestalten und nicht abwarten.


Mit dem vorliegenden Antrag wollen wir die Hochschulen in Thüringen, die Hochschulbibliotheken und das, was an Angeboten schon vorliegt, bei der Fortentwicklung der modernen Wissenschaftsgesellschaft aktiv unterstützen. Es ist schon gesagt worden, das ist auch für uns so, Wissenschaft und Forschung begreifen wir nicht als ein abgeschlossenes System, sondern natürlich haben beide Bereiche eine hohe gesellschaftliche Funktion. Um dieser Funktion nicht nur durch die tägliche Wissensproduktion gerecht zu werden, ist es eben notwendig, die Forschungsergebnisse der breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, was bedeutet, da dies auch transparent und in geeigneter Art und Weise kostenfrei zu tun. Open-Access bietet aus unserer Sicht die Möglichkeit dazu. Auch in der Berliner Erklärung aus dem Jahr 2003 lässt sich die Zielstellung noch deutlich ablesen. Dort heißt es: „Unsere Aufgabe Wissen weiterzugeben ist nur halb erfüllt, wenn diese Informationen für die Gesellschaft nicht in umfassender Weise und einfach zugänglich sind. Neben den konventionellen Methoden müssen zunehmend auch die neuen Möglichkeiten der Wissensverbreitung über das Internet nach dem Prinzip des offenen Zugangs […] gefördert werden. Wir definieren den offenen Zugang oder den ‚Open Access‘ als eine umfassende Quelle menschlichen Wissens und kulturellen Erbes, die von der Wissenschaftsgemeinschaft bestätigt wurden.“


Mit dieser Initiative sowie der Budapester Open-Access-Initiative hat sich bundesweit und international bereits einiges zum Ausbau von Open Access getan. Die Bedeutung ist auch mittlerweile vielen Akteuren bekannt und auch klar. Einige Strategien wurden schon auf den Weg gebracht. Herr Bühl, Sie haben es erwähnt, auf Bundesebene. Das ist wichtig. Ein Beispiel ist dort die Open-Access-Strategie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung aus dem letzten Jahr mit den vier Leitprinzipien der Strategie – unter anderem, Open-Access zum Standard des wissenschaftlichen Publizierens zu machen, verschiedene Wege für Wissenschaftler zur digitalen Publikation zu eröffnen und mittels dieses Instruments die gesellschaftliche Teilhabe und Partizipation zu erhöhen sowie die Wissenschaftsfreiheit zu stärken.


Auch in der Schweiz wurde vor kurzem erst ein Entwurf für eine nationale Open-Access-Strategie vorgelegt. Auch bei den Wissenschaftlern selbst ist die Zustimmung hoch. Nach einer Umfrage des zweijährlich stattfindenden Monitorings der Open-Access-Studie der Europäischen Kommission stimmen 89 Prozent der befragten Wissenschaftler in Deutschland der Aussage zu, dass Open-Access für ihr Forschungsfeld förderlich ist und sie mehr öffentlich zugängliche Literatur wünschen. Auch bei den Forschungsgesellschaften hat sich dort der Trend schon längst fortgesetzt. Die Helmholtzgesellschaft beispielsweise hat im April 2016 erklärt, ihre Bemühungen zum Open Access quantifizierbar machen zu wollen. Bis 2020 sollen mindestens 60 Prozent der Publikationen über Open Access verfügbar sein, bis zum Jahr 2025 dann 100 Prozent. Auch die Fraunhofer Gesellschaft strebt bis zum Jahr 2020 einen Anteil von 50 Prozent an.


Auch in Thüringen ist der Trend positiv. So ist beispielsweise, wenn auch noch in kleinem Maße, die Zahl der Open-Access-Publikationen in Jena von 7 Prozent im Jahr 2010 auf mittlerweile 15 Prozent im Jahr 2016 gestiegen. Daher wollen wir mit diesem Antrag auch das Rad nicht ganz neu erfinden, sondern den Fokus darauf legen, wo eben die bestehenden Lücken zum Ausbau von Open-Access in Thüringen liegen, die gezielt aufgreifen und dann gemeinsam mit den Hochschulen und Hochschulbibliotheken die entsprechenden Maßnahmen entwickeln. Wir haben uns im Vorfeld daher auch intensiv mit den bestehenden Strukturen in Thüringen auseinandergesetzt und diese Handlungsbedarfe identifiziert. In der Antwort auf meine Kleine Anfrage in der Drucksache 6/2624 wurde deutlich, dass die Thüringer Hochschulen bereits eine Reihe von Maßnahmen ergriffen haben seit der Veröffentlichung der Budapester Open-Access-Initiative.


Beispielhaft zu nennen ist ThULB in Jena die Universal Multimedia Electronic Libary, kurz UrMEL, die aus unserer Sicht eine leistungsfähige Infrastruktur darstellt. Im Rahmen dieser Infrastruktur werden beispielsweise die Digitale Bibliothek Thüringen als Publikationsplattform sowie das Zeitschriftenportal Journals@UrMEL und weitere Plattformen betrieben. Mit der digitalen Bibliothek steht neben der FSU Jena eben auch beispielsweise der Universität Erfurt und auch der TU Ilmenau ein gemeinsamer Hochschulschriftenserver bereits zur Verfügung.


Aber – ich habe es erwähnt – es gibt noch Lücken und die haben wir identifiziert, als ich in der Bibliothek der Bauhaus Universität in Weimar ein Gespräch mit dem dortigen Direktor Dr. Simon-Ritz und der dortigen Open-Access-Beauftragten Alexandra Otten geführt habe. Dort konnte ich mir nicht nur den Einblick in die dortige Struktur des Open-Access-Repositoriums verschaffen, sondern auch in die Problemfelder, die ich hier kurz skizzieren will. Denn, was deutlich wurde: Trotz der bestehenden Programme von Forschungsgemeinschaften oder auch der genannten verabschiedeten Strategien findet der Sinneswandel an den Hochschulen und auch in Thüringen nur langsam statt.

Ziel der zu erarbeitenden Open-Access-Strategie muss es daher sein, möglichen Bedenken gegenüber der Verwendung dieses Formats zu begegnen. Das Problem wollen wir beispielsweise wie aus der Erfahrung mit der BHU Weimar damit beheben, dass wir an den Hochschulstandorten die Open-Access-Beauftragten dort, wo es sie noch nicht gibt, etablieren, damit diese dann den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Informations- und Beratungsangeboten sowie auch bei der Klärung rechtlicher Fragestellungen zur Seite stehen. Der Sinneswandel soll auch dadurch erleichtert werden, dass die Bedeutung der digitalen Publikationsformen in der kommenden Digitalisierungsstrategie des Freistaats berücksichtigt wird. Deswegen bitten wir beispielsweise auch heute hier um die Zustimmung, damit das dann auch zeitnah Eingang in die Erarbeitung der Strategie finden kann.


(Beifall DIE LINKE)


Ein weiteres Problem, das wir bei dem Gespräch identifiziert haben, war, dass trotz der bestehenden und auch eben genannten bereits vorhandenen Plattformen – wie der digitalen Bibliothek in Thüringen, aber auch dem OPuS in Weimar – es noch keine automatisierten Schnittstellenfunktionen für die unterschiedlichen Systeme gibt. Deswegen haben wir auch in dem Antrag formuliert, dass wir diesem Problem mit einer besseren zentralen Koordination begegnen wollen. Das bedeutet zum einen, die Schnittstellen zu schaffen, aber perspektivisch auch für die Forschungslandschaft in Thüringen darüber nachzudenken, wie eine einheitliche Plattform dieses Problem lösen kann.

Eine große Hürde bei dem ganzen Themenfeld stellen die teils unabsehbaren Publikationsgebühren für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dar, denn die liegen durchschnittlich bei bis zu 1.700 Euro pro wissenschaftlichem Beitrag, können aber auch weit darüber liegen. Gerade für den wissenschaftlichen Nachwuchs stellt so was eine erhebliche finanzielle Belastung dar, die ohne einen Zuschuss eine solche Publikation dann kaum oder nicht stemmen können. Die bestehenden Publikationsfonds auf Bundesebene sollen daher aus unserer Sicht durch einen landeseigenen Publikationsfonds unterstützt werden.


Zu Punkt II, wobei die CDU-Fraktion ja noch Bauchschmerzen hat: Auf Bundesebene besteht zwar im § 38 Abs. 4 des Urheberrechtsgesetzes folgende Regelung, Zitat: „Der Urheber eines wissenschaftlichen Beitrags, der im Rahmen einer mindestens zur Hälfte mit öffentlichen Mitteln geförderten Forschungstätigkeit entstanden und in einer periodisch mindestens zweimal jährlichen erscheinenden Sammlung erschienen ist, hat auch dann, wenn er dem Verleger oder Herausgeber ein ausschließliches Nutzungsrecht eingeräumt hat, das Recht, den Beitrag nach Ablauf von zwölf Monaten seit der Erstveröffentlichung in der akzeptierten Manuskriptversion öffentlich zugänglich zu machen, soweit dies keinem gewerblichen Zweck dient.“


Bei dem Gespräch in Weimar sind dabei zwei Probleme deutlich geworden. Zum einen ist die Definition der mit öffentlichen Mitteln geförderten Forschungstätigkeit zu eng gefasst, denn mit der aktuellen Regelung, das hat uns vor allem die Open-Access-Beauftragte noch mal dargelegt, haben de facto momentan in der Praxis nur diejenigen die Möglichkeit der Zweitveröffentlichung, die entsprechende Mittel aus öffentlichen Forschungsförderprogrammen enthalten, und damit gilt de facto das Recht auf Zweitveröffentlichung nach § 38 Abs. 4 des Gesetzes in der Praxis nicht für die Person, die im Rahmen eines grundständig finanzierten Forschungsprogramms, beispielsweise aus dem Globalbudget der Hochschule, eine Publikation herausgeben wollen. Das ist die tatsächliche Praxis, mit der sich die Personen an der Hochschule konfrontiert sehen, wurde uns zumindest in dem Gespräch berichtet. Zudem besteht nicht die Möglichkeit, die Verlagsversion zu veröffentlichen, die aber für eine sinnvolle und wissenschaftsadäquate Verwendung als Quellenmaterial und für Dissertationen notwendig wäre. Aus diesen beiden Gründen sind wir hier der Meinung, dass es die Bundesratsinitiative braucht.

Zudem haben wir in Punkt II des Antrags beispielsweise ganz klar formuliert – und vielleicht räumt das die Bedenken der CDU-Fraktion noch aus –, dieses unabdingbare Zweitveröffentlichungsrecht einzuräumen, sofern nicht die unmittelbaren Interessen Dritter betroffen sind.


Eines der größten Probleme – das spiegelt sich dann im dritten Punkt wider – ist und bleibt die Verlagsstruktur und die Monopolstellung einiger weniger Verlage, wie beispielsweise „Springer“ oder „Elsevier“, und die Folgen, die sich daraus aus der Preisbildung ergeben. Im Gespräch mit dem Leiter der Universitätsbibliothek in Weimar fiel diesbezüglich ein harter, aber treffender Vergleich von ihm, als er sagte, die Umsatzrendite der Fachverlage übertreffe die der Rüstungsindustrie. Das bedeutet eine enorme Gewinnspanne für wenige auf Kosten der Allgemeinheit und deshalb müssen wir hier wirksame Schranken einziehen. Es gab in den letzten Jahren bereits mehrfach Fälle, bei denen die Hochschulen ihre Verträge mit den Fachverlagen aufgekündigt haben, weil die zu hohe Abonnementpreise für Zeitschrift etc. verlangt haben und zudem in kürzester Zeit erhebliche Preissteigerungen stattgefunden haben. Es gibt diesbezüglich Ansätze, wie beispielsweise in den Niederlanden, sogenannte Nationallizenzen zu verhandeln, um hier letztendlich auf die Preisgestaltung bezogen einen transparenteren Zugang zu gewähren und möglicherweise auch die Preisgestaltung fairer auszugestalten. Allerdings ist auch hier kritisch zu betrachten, in der Wissenschaftscommunity wird das beispielsweise diskutiert, ob damit trotzdem weiterhin die Monopolstellung der Verlage gefestigt und letztendlich die eigentliche Frage der Preisspirale nicht unterbrochen wird. Deswegen haben wir uns darauf verständigt, zu sagen: Hier müssen erst mal die Vor- und Nachteile geprüft werden.

All diese Aspekte wollen wir in die Digitalisierungsstrategie begleitend mit einbringen. Zu dem vorliegenden Änderungsantrag will ich nichts weiter ausführen. Das hat der Abgeordnete Krumpe ausführlich gemacht, warum hier die Ergänzung sinnvoll ist um den Bereich des Forschungsdatenmanagements. Er verweist auch zudem völlig richtig darauf, dass der Fokus der schon genannten Initiativen eben sich sehr stark auf die Publikationsform bezieht und nicht darauf, wie die Metadaten und die Primärdaten und die Forschungsdaten berücksichtigt oder auch veröffentlicht werden. Daher sehen wir in dem vorliegenden Änderungsantrag eine sinnvolle Ergänzung zu unserem Antrag. Und deswegen werbe ich nicht nur um die Zustimmung zu unserem, sondern auch zum Änderungsantrag. Vielen Dank.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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