Gesetz zur Änderung des Thüringer Hochschulgesetzes – Sicherung der Vereinigungsfreiheit der Studenten an Thüringer Hochschulen

Christian Schaft

Zum Gesetzentwurf der Fraktion der AfD - Drucksache 7/6470

 

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Werte Kolleginnen, werte Zuschauerinnen am Livestream, was die AfD-Fraktion hier mit ihrem Gesetzentwurf vorgelegt hat, ist nichts anderes, als die Axt an die Mitwirkungsrechte der Studierenden in Thüringen anzulegen. Sie wollen nichts anderes, als die politische Stimme und Selbstvertretung der Studierenden in Thüringen mundtot zu machen. Da kann ich gleich zu Beginn sagen: Das werden wir nicht mitmachen.

 

(Beifall SPD)

 

Anders als Sie hat sogar – weil Sie gerade darauf abgestellt haben – die Landesregierung in Baden-Württemberg begriffen, dass die verfasste Studierendenschaft eben kein Teufelszeug ist, und bei der Änderung des Landeshochschulgesetzes den Plan, diese auch wieder einzuführen, sodass nur noch Bayern das letzte Bundesland ist, ohne verfasste Studierendenschaft.

 

Während die AfD demokratische Mitwirkung bei den Studierenden schleifen möchte, haben wir vor einigen Jahren mit der Einführung der paritätischen Gremienbesetzung bei allen Fragen, die nicht unmittelbar Forschung und Lehre betreffen, einen Schritt zu mehr Mitbestimmung auf Augenhöhe an den Hochschulen gemacht, ebenso mit der Einrichtung von Assistentinnenräten an den Hochschulen. Das ist gut so, denn statt Einschränkung von demokratischer Mitwirkung braucht es mehr Demokratie und Mitbestimmungsrechte an den Hochschulen. Ich könnte mir da sogar noch andere Modelle vorstellen. Warum beispielsweise nicht wie an der Uni Rostock auch einen studentischen Prorektor einführen, um die Belange von Studierenden direkt auch in der Hochschulleitung vertreten zu sehen?

Aber Ihr Gesetzentwurf verfolgt ein ganz anderes Ziel, weil Ihnen sicherlich die Aufgaben der Studierendenschaft im Thüringer Hochschulgesetz ein Dorn im Auge sind. Das betrifft zum Beispiel die Förderung der politischen Bildung. Ich denke da an die alternativen Einführungstage, die sich kritisch mit gesellschaftlichen und politischen Zusammenhängen auseinandersetzen und deren Organisation, aber aus meiner Sicht eben auch durch die gesetzlichen Aufgaben der Studierendenschaft gedeckt ist. Oder ich denke an die Aufgabe der Integration internationaler Studierender, die sowohl von den Studierendenvertretungen als auch – wie jetzt beispielsweise exemplarisch mit der ISWI kommende Woche in Ilmenau – von studentischen Initiativen auch in Zusammenarbeit mit dem Studierendenwerk an den Standorten gemacht wird. Ich sehe auch da keine Doppelstruktur, sondern es geht hier um die zielgruppenorientierte Arbeit in diesem Bereich.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD)

 

Solche Aufgaben übernehmen die Studierendenvertretungen im Sinne der Aufgaben des Thüringer Hochschulgesetzes, die auch die Hochschulen haben. Dort steht beispielsweise im Gesetz, sich vom Geist der sozialen Gerechtigkeit leiten zu lassen und dem demokratischen und sozialen Rechtsstaat zu dienen – alles Prinzipien, die Sie abschaffen wollen. Auf dem Weg hin zum autoritären Staat ist Ihnen jeder ein Dorn im Auge, der sich Ihnen dort in den Weg stellt. Das sind eben aus Ihrer Sicht auch die Studierendenschaften, die sich für eine demokratische Hochschule und eine demokratische Gesellschaft einsetzen.

 

Wenn Sie in Ihrer Begründung davon schreiben, es würde durch die Studierendenvertretung eine Atmosphäre von Angst und eine Atmosphäre des Meinungsdrucks hergestellt oder es sei auch die Umgestaltung der Hochschule oder der Gesellschaft geplant, dann will ich kurz nur ganz deutlich sagen: Eine Atmosphäre der Angst, eine Atmosphäre des Hasses erzeugen Sie. Die Meinungsfreiheit wird bedroht mit dem Klima, das Sie in Ihren Reden hier tagtäglich auch kundtun, wenn Journalistinnen am Rande von Kundgebungen von Ihren Anhängerinnen angegriffen werden. Eine Atmosphäre der Angst erzeugen Sie, wenn aus den Worten, die Sie reden, durch andere Taten werden und Menschen in Thüringen angegriffen werden, die nicht in Ihr Weltbild passen. All das bemänteln Sie dann mit rechtlichen Bedenken der Vereinigungsfreiheit oder auch dem Rechnungshofbericht, weil Ihnen das eben so in den Kram passt.

Da will ich erst mal mit einer juristischen Lesart aufräumen: Ausgangspunkt der Verhältnismäßigkeit bei der Pflichtmitgliedschaft in einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft ist eben nicht die Frage der Vereinigungsfreiheit nach Artikel 9 Abs. 1 Grundgesetz, sondern die allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Grundsatzentscheidung im Dezember 1979 festgestellt, dass der Gesetzgeber durchaus die verfasste Studierendenschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts einrichten darf, wenn er bei der Aufgabenzuweisung den Schutzanspruch der Zwangsmitglieder beachtet. Viel problematischer finde ich an dem Grundsatzurteil, dass gemeint wird, eine verfasste Studierendenschaft dürfe ihre meinungs- und wissenschaftsfreiheitlichen Rechte nur mit Blick auf eben auch die Frage des wissenschaftlichen Betriebs der hochschulpolitischen Aufgaben tun, und das schließt ein allgemeinpolitisches Mandat aus. Aber das ist eine andere Debatte, die jetzt hier nichts zur Sache tut.

 

Ich will an der Stelle noch darauf verweisen, dass die rechtliche Stellung der Studierenden und der Mitglieder der Studierendenschaft qua Immatrikulation mit dem Recht auf Satzungsautonomie, Finanzautonomie und Unabhängigkeit als rechtsfähige Teilkörperschaften einhergeht. Das sind aus unserer Sicht wichtige Eigenschaften, um als Interessenvertretung tatsächlich auch entsprechend an Hochschulen aktiv sein zu können, die eben durch unterschiedliche Statusgruppen geprägt sind.

 

Und auch auf den Rechnungshofbericht will ich hier kurz eingehen, weil Sie ihn ja für Ihre Zwecke missbrauchen. Ich gehe mit, wenn der Rechnungshof feststellt, dass Beiträge, die durch die Studierendenschaften erhoben werden, auch ordnungsgemäß, wirtschaftlich und entsprechend der Aufgaben verwendet werden sollen. Bei der Betrachtung der Mängel, insbesondere bei der Haushalts- und Wirtschaftsführung, wird aber aus meiner Sicht im Rechnungshofbericht nicht dem Rechnung getragen, was die Grundlage der Arbeit der Studierendenvertretung ist. Denn die Studierendenräte leben in der Regel durch ehrenamtliche Arbeit. Sich in die Finanzarbeit einzuarbeiten, diese durchzuführen und auch in gute Hände zu geben, ist eben mit einem erheblichen Aufwand verbunden, der meist eben dann auch nur mit Abstrichen im eigenen Studium bewältigt werden kann.

Deshalb kann es aus meiner Sicht zur Abstellung dieser Mängel eben nicht die Lösung sein, die verfasste Studierendenschaft abzuschaffen, sondern die Schlussfolgerung muss sein, dass wir eine zusätzliche Unterstützung für die Studierendenvertretungen brauchen. Hier haben auch die Hochschulen eine Pflicht, in die sie auch genommen werden müssen, als Rechtsaufsicht. Gemäß § 1 Abs. 3 der Thüringer Verordnung über die Haushalts- und Wirtschaftsführung der Studierenden beraten und unterstützen die Hochschulpräsidien die Studierendenschaften bei der Aufstellung und Ausführung von Haushaltsplänen sowie der Verwaltung des Vermögens. Hier sollten wir tatsächlich prüfen, welche Unterstützung derzeit geleistet wird und wo noch Verbesserungsbedarf besteht.

 

Damit die Interessen der Studierenden in Thüringen auch gebündelt gegenüber der Landespolitik vertreten werden können, sind die verfasste Studierendenschaft und auch die Landesstudierendenvertretung unabdingbar. Ich bin mit Blick auf den Rechnungshofbericht auch dankbar, dass auch das Thüringer Wissenschaftsministerium 2021 in dem Bericht diese Position vertreten und auch zugesagt hat, entsprechend der Hinweise des Rechnungshofberichts zu schauen, wo entsprechende Mängel gemeinsam mit den Studierendenvertretern auch abgestimmt oder abgestellt werden können. Das sollte auch gemeinsam mit den Studierendenvertretungen geschehen. Erst vor Kurzem hatte ich ein Gespräch mit Vertreterinnen des Studierendenrats an der TU Ilmenau, wo es noch mal wertvolle Hinweise gab zur Frage, wie in der Buchhaltung Dinge vereinfacht werden können, um dann auch die Arbeit zu vereinfachen.

 

Sie treiben aber in der Begründung für Ihren Gesetzentwurf das Ganze noch auf die Spitze. Wenn Sie meinen, dass die Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft bei der verfassten Studierendenschaft Studierende finanziell entlasten würde. Das ist aber angesichts der tatsächlichen Problemlagen von Studierenden blanker Hohn. Ich nehme mal als Beispiel die Universität Erfurt. Hier zahlen Studierende einen Beitrag an die Studierendenvertretung pro Semester von 8 Euro. Das sind ganze 4 Cent pro Tag. Das abzuschaffen, ist alles andere als eine finanzielle Entlastung; das passt Ihnen gerade nur so als Argument in den Kram. Wenn Sie wirklich zur Kenntnis nehmen würden, dass laut einer Studie der Parität jeder dritte Studierende von Armut betroffen ist, dann zeigt sich, was wir wirklich brauchen, nämlich ein armutsfestes BAföG. Dann brauchen wir bezahlbaren Wohnraum, wie ihn das Thüringer Studierendenwerk auch anbietet und wo das Land Thüringen in den letzten Jahren auch kräftig unterstützt hat, und dann braucht es zielgenaue Unterstützungsangebote, wie wir es auch mit der 500-Euro-Studien-Starthilfe hier in Thüringen haben und nicht Scheindebatten über 4 Cent pro Tag, die Studierende vermeintlich finanziell entlasten würden.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

Werte Kollegen, statt Mitwirkungsrechte abzuschaffen und die vielen ehrenamtlichen, die hochschulpolitisch aktiven Studierenden zu diffamieren, wie es die AfD macht, will ich zum Schluss noch einmal Danke sagen, nämlich Danke all denjenigen Studierenden, die sich in den Gremien der Hochschulen, den Studierendenräten, in Fachschaftsräten hochschulpolitisch engagieren, sich für Ihre Kommilitoninnen einsetzen, Hochschulen mitgestalten, sich für gute Studienbedingungen einsetzen und damit auch einen Teil unserer demokratischen Gesellschaft sind. Den Gesetzentwurf der AfD-Fraktion braucht es da auf keinen Fall. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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