Hochschulbauplanung Thüringen 2030 2/2

Christian Schaft

Zum Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 7/5352

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuschauerinnen und Besucherinnen auch auf der Tribüne, im Oktober letzten Jahres war ich mit Kolleginnen und Kollegen und meiner Fraktion zu Besuch an der Fachhochschule Erfurt. Bei der Begehung der Gebäude und Einrichtungen zeigte sich, wie nah beieinander auf der einen Seite ein erfolgreiches und innovatives Bauvorhaben, aber auch – das gehört auch zur Ehrlichkeit – ein etwas in die Jahre gekommenes Lehrgebäude – wortwörtlich – beieinanderliegen und welche Herausforderungen beide Gebäude an uns stellen. Da gibt es den vom Kollegen Liebscher schon erwähnten Green Campus, ein Hörsaalneubau aus dem Baustoff Holz, der Holz in den Mittelpunkt rückt, ein Experimentalbau mit regenerativen Heiz- und Belüftungstechniken, ein umweltschonendes Raumkonzept, ein mobiles Hörsaalgebäude, das beispielsweise auch an anderen Standorten die Funktion als Zwischenstandort bei Sanierungen übernehmen kann und auch preisgekrönt ist. Auf der anderen Seite sahen wir das Lehrgebäude der Fakultät, das nun schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel hat, mit – geben wir zu – etwas muffigen Kellerräumen, Seminarräumen, wo durch die Bausubstanz eine flexiblere Nutzung nicht immer möglich ist oder auch Räume für selbst organisiertes Lernen der Studierenden fehlen.

 

Dieser konkrete Spagat drückt sich ein Stück weit in den Zahlen bei der Hochschulbaufinanzierung des Landes aus. Auf der einen Seite haben wir – ich hatte es in der Einbringung schon erwähnt – in den letzten zehn Jahren über 600 Millionen Euro für die Baubedarfe zur Verfügung gestellt. Aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage von mir im Februar ging hervor, dass es eine Bedarfsanmeldung in der mittelfristigen Planung der Hochschulen von 401 Millionen Euro für 30 Sanierungsvorhaben und 14 Neubauvorhaben gibt. Das ist der Spagat, in dem wir uns befinden, einerseits auf das aufzubauen, was wir in den letzten Jahren mit den Mitteln zur Verfügung gestellt haben, aber auch die Bedarfe der kommenden Jahre zu bewältigen. Hier setzt der Antrag an, den wir vorgelegt haben, immer auch in Verknüpfung mit der Rahmenvereinbarung V, wo das Land die Zusage gegeben hat, in den kommenden Jahren die Hochschulen bei den Baumaßnahmen zu unterstützen.

 

Aber natürlich stehen die Hochschulen vor den Herausforderungen, die schon genannt wurden: Baupreissteigerungen und Inflation werden auch dort nicht spurlos und ohne Probleme vorbeigehen, weswegen wir aber trotzdem sagen: Es braucht eine weitere Investitionsoffensive beim Hochschulbau. Das werden die Länder nicht alleine bewältigen können. Deswegen fordern wir in dem vorliegenden Antrag unter Punkt 7c auf, dass sich das Land Thüringen gegenüber dem Bund für eine Programmfinanzierung einsetzt, mit der beispielsweise neue Forschungs-, Lehr- und Lernräume entstehen können, immer unter der Berücksichtigung eines ressourcenschonenden und energieeffizienten Bauens.

 

Dass eine solche Bund-Länder-Kooperation notwendig ist, darauf verweist der Wissenschaftsrat. Er konstatiert, dass die Erwartungen an die Föderalismusreform nicht erfüllt wurden. Mit der Abwicklung der Gemeinschaftsaufgabe „Hochschulbau“ ging die Suche nach den besten Lösungen in der Hochschulbaufinanzierung nicht einher – im Gegenteil. Der Wissenschaftsrat bilanziert, dass es an übergreifenden Impulsen der Länder zur Förderung des Hochschulbaus fehlt und der Rückzug hierher zum Nachteil wurde.

 

Der Bund – das ist ein anderes Themenfeld – spielt bei der Frage von Programmpauschalen für Projekte, beispielsweise des Bundesbildungsministeriums in der Deutschen Forschungsgesellschaft, eine wichtige Rolle, wo der Wissenschaftsrat zu dem Ergebnis kommt, dass die sogenannten Overhead-Pauschalen nicht ausreichen, die bei ca. 20 Prozent liegen. Dabei wären laut einer Analyse des Bundesforschungsministeriums 41 Prozent notwendig, um beispielsweise auch die Kosten für zusätzliche Räume zur Realisierung von entsprechenden Projekten entsprechend wahrzunehmen. Denn wo ein neues Projekt eingeworben wird, da sind gegebenenfalls auch neue Räume notwendig.

Aus diesem Grund adressieren wir mit diesem Antrag den Bund mit der Forderung, endlich einen Hochschulsozialpakt auf den Weg zu bringen, damit die Länder auch beim notwendigen Ausbau der sozialen Infrastruktur bei Mensen und Wohnheimen, wo Thüringen ja schon vorangegangen ist, auch noch weitere Aufgaben wahrnehmen können. Eine Forderung, die auch das Deutsche Studierendenwerk immer wieder zu Recht bringt.

Doch, keine Angst, wir ducken uns nicht nur einfach weg und sagen, der Bund muss machen. Schon allein die letzten Investitionen – ich hatte es in der Einbringung erwähnt, auch der Kollege Liebscher hat schon ein paar Projekte genannt – zeigen, welchen Stellenwert der Hochschulbau in Thüringen auch hat. Bei dem Besuch an der FH Erfurt, den ich eingangs erwähnte, sowie weiteren Gesprächen mit Hochschulleitungen wurde aber eben auch deutlich, dass wir den Hochschulbau auch im Rahmen der Bewertung des Wissenschaftsrats ein Stück weit neu denken müssen, denn Lehre hat sich an den Hochschulen verändert. Das ist jetzt keine Überraschung, wir haben das hier in den letzten beiden Jahren auch schon hoch und runter diskutiert. Wir haben sehr deutlich gespürt, welche Effekte digitale Lehre hat, aber auch, wie wichtig die Hochschule als sozialer Begegnungsraum ist.

 

Um es mal an einem sehr konkreten Beispiel zu machen: Der nun zum Alltag gewordene Wechsel von digitaler Lehre und Präsenzlehre lässt es sehr konkret werden. Wo es vor der Pandemie – so, wie ich es auch noch kenne – üblich war, zur Lehrveranstaltung A zwischendurch in die Mensa zu gehen und dann in Seminarraum B, also in Präsenz, gab es jetzt eben in den letzten Wochen und Monaten die Situation, dass Studierende vielleicht das Seminar A in Präsenz haben, danach aber das Seminar B im Anschluss unmittelbar online, und dann ein Raum gefehlt hat, wo sie dieses Seminar ungestört auch wahrnehmen können. Genau hier müssen moderne Raumnutzungskonzepte bei den Hochschulen ansetzen. Ebenso bei der Frage – das wurde uns von Studierenden aber auch Lehrenden immer wieder nahegebracht – auch selbst organisierter Lernmöglichkeiten – nicht an jedem Standort gibt es das ausreichend –, wo beispielsweise auch ohne Aufsicht durch Angestellte im Liegenschaftsmanagement oder Lehrende einfach Räume für die Studierenden genutzt werden können. Da gibt es nicht überall die gleichen Ausgangsbedingungen. Eine moderne Lehr- und Lernumgebung an den Hochschulen muss auf diese Veränderungsbedarfe reagieren, eben nicht nur beim Neubau, sondern auch bei der Sanierung und das wird die große Herausforderung.

Der Wissenschaftsrat empfiehlt deshalb auch, die Nutzerinnen von Hochschuleinrichtungen angemessen einzubinden, damit Studierende und Beschäftigte bei der Bedarfsplanung auch entsprechend mit ihren Interessen berücksichtigt werden. Deswegen schlagen wir im Punkt III vor, dass die Landesregierung auch hier einen Prozess initiiert, wo die Statusgruppen mit einbezogen werden. Ich sage es mal stark vereinfacht bildhaft: Wir nehmen ein weißes Blatt Papier in die Hand, Lehrende, Forschende und Studierende sowie weitere Beschäftigte der Hochschulen können Bedarfe, Wünsche und Anforderungen an eine innovative Lehr- und Lernumgebung kundtun, sammeln, und das soll dann berücksichtigt werden, mit einbezogen werden in die weitere Planung als langfristiges Instrument. Und bei der Priorisierung sollen dann eben auch Fragen von moderner Raumnutzung, Digitalisierung, gute Arbeitsbedingungen und Barrierefreiheit sowie weitere Punkte in den Blick genommen werden.

 

Letzteres eben beispielsweise auch mit Blick auf die Frage Bewältigung des Klimawandels – auch darauf wurde schon eingegangen –, dass die öffentliche Hand hier natürlich auch eine Vorbildwirkung hat. Hochschulen haben aber auch das Know-how für die innovative und ressourcenschonende Bau- und Sanierungsweise. Den Green-Campus hatte ich exemplarisch erwähnt. Das zeigt aber auch der gestern schon mehrfach erwähnte Erdüberlastungstag, wo auch hier im staatlichen Hochschulbau eine Verantwortung liegt, Hochschulbau auch zu begreifen als wichtigen Baustein für die Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks.

 

Bei Hochschulen ohne einen geschlossenen Campus spielen dann natürlich auch Fragen für den Städtebau eine Rolle. Man kann sich das beispielsweise in Jena auch konkret angucken. Große Projekte wie das Bachstraßenareal mit einem innerstädtischen Wissenschaftscampus nehmen dann eben auch eine besondere Anforderung für eine umweltschonende und soziale Stadtentwicklung auf, wo solche Aspekte mit einfließen müssen.

 

Mit Blick auf das bestehende Verfahren der mittelfristigen Hochschulbauplanung plädieren wir deswegen dafür, sich die Anforderungen und Bedarfe noch mal genauer anzusehen und die strategische Bedeutung des Hochschulbaus in dem Prozess der Hochschulentwicklungsplanung 2030 noch mal gesondert in den Fokus zu nehmen und sich dabei eben auch die Instrumente und Bedarfe noch mal genau anzuschauen. Ich denke, damit ist deutlich geworden – und ich hoffe, dass wir dann den detaillierten Blick noch mal im Ausschuss für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft sowie im Ausschuss für Infrastruktur und Landwirtschaft nehmen –, sich anzugucken, was notwendig ist, denn meines Erachtens ist Hochschulbau mehr, als nur über Geld zu streiten, das in neuen Beton investiert wird. Hochschulbau neu zu denken ist notwendig, das wollen wir gemeinsam mit den Hochschulen und der Landesregierung tun. Und wir wollen durch diese Diskussion auch Druck auf die Verantwortlichen im Bund machen, damit wir eine Investitionsoffensive für einen modernen, sozialen und klimagerechten Hochschulbau wahrnehmen.

 

Noch eines zum Schluss: Das Thema der GMA an der Stelle sei noch mal erwähnt aufgrund der Berichterstattung auch des MDR. Der Kollege Kemmerich ist gerade darauf eingegangen. Es ist eben nicht so, dass hier einfach nur Verantwortung wieder abgeschoben werden kann, die Bedingungen sind so, die Verantwortung wurde hier nicht übernommen aus den Reihen des Parlaments, weil die Opposition sich nicht als konstruktive Opposition verstanden hat und selber eben keine Vorschläge machen wollte,

 

(Beifall DIE LINKE)

 

wo und wie ganz konkret Geld eingespart werden kann. Höchstens der Kollege König hat gestern in so einem Zungenschlag gesagt, man hätte das ja bei Demokratieprojekten machen können, und

 

(Unruhe CDU)

 

das wäre wirklich der falsche Punkt gewesen. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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