Thüringer Bildungsfreistellungsgesetz (ThürBfG)

Zum Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 6/348


Werte Kolleginnen und Kollegen, werte Gäste und Besucher, werte Zuschauerinnen und Zuschauer am Livestream, nach einigen Jahren der intensiven öffentlichen Debatte und auch der Debatte hier im Landtag stehen wir nun heute hier kurz vor der Verabschiedung eines Thüringer Bildungsfreistellungsgesetzes. Wir verabschieden damit eines der zentralen Projekte des rot-rot-grünen Koalitionsvertrags und werden damit auch etwas beschließen, was unter der CDU-geführten Regierung noch gescheitert ist und was wir nun gemeinsam mit SPD und Grünen endlich auf den Weg bringen können.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Mit dieser Entscheidung haben dann ab dem 1. Januar 2016 ganz offiziell nur noch die Länder Sachsen und Bayern kein ähnliches Gesetz vorzuweisen. Auch das zeigt, dass dieses Gesetz bei mittlerweile dann 14 vorliegenden Bildungsfreistellungsgesetzen längst überfällig war – als klares Zeichen an die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hier im Freistaat, damit wir ihnen die Möglichkeit bieten können, Freistellungen zu beantragen, um sich weiterbilden und eben auch bilden zu können.


Wie vielleicht auch die einen oder anderen hier im Saal heute in der Thüringer Landeszeitung lesen konnten, ist dieser Vorstoß der Thüringer rot-rot-grünen Landesregierung eben auch in der Bevölkerung eher positiv bewertet, denn die Zahlen der Insa-Umfrage belegen,


(Beifall DIE LINKE)


dass ganz klar gesagt wird, es wird überwiegend als positiv, als gut bewertet. Und – an dieser Stelle sei noch eines hervorzuheben – je jünger die volljährigen Befragten in der Umfrage waren, desto höher war auch die Zustimmung. Auch das ist für uns nochmal ein Zeichen dafür, dass wir hier zum einen für junge Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aber eben auch für Auszubildende eine wichtige Möglichkeit schaffen und bieten. Der Leitgedanke dieses Gesetzentwurfs ist es, eine bessere Möglichkeit für das lebenslange Lernen zu schaffen. Wir wollen den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Möglichkeit eröffnen, sich nicht nur im Beruf fachlich weiterzubilden, sondern eben auch sich gesellschaftspolitisch zu informieren, damit sie auch Kenntnisse zur Ausübung beispielsweise ihrer ehrenamtlichen Tätigkeiten erwerben können. Die Beschäftigten haben dabei, wenn sie den Wunsch auf Weiterbildung hegen, dann auch die Möglichkeit, dies unter der Fortzahlung ihrer Bezüge entsprechend zu tun.


Ich möchte an dieser Stelle auch noch mal betonen: Dieses Gesetz soll dabei ein Mindestanspruch sein. Gleichzeitig bietet dieses Gesetz die Möglichkeit, die Tarifpartnerinnen und Tarifpartner dazu zu ermutigen, weitere Regelungen zu verabschieden, welche dem Bildungsfreistellungsgesetz entsprechend mögliche Anforderungen der jeweiligen Branche noch mal mit aufnehmen. Dabei haben dann aber auch nur, so der Gesetzentwurf, die tarifvertraglichen Regelungen den Vorrang im Gesetz, die dann zugunsten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ausfallen.


(Beifall DIE LINKE)


Ich will noch mal etwas ganz deutlich hervorheben, weil das in der Debatte in den letzten Monaten und Tagen immer wieder kam. Es handelt sich hier nicht um zusätzlichen Urlaub oder sogenannten Bildungsurlaub. Es ist ein Anspruch auf Freistellung zur Weiterbildung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Ich will das auch noch mal vor dem Hintergrund betonen, dass wir auch immer wieder in der öffentlichen Debatte über die aus dem Lot geratene Work-Life-Balance reden, und es da umso wichtiger ist, dass der gesetzliche Urlaubsanspruch von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern so erhalten bleibt, wie er ist, und zusätzlich die Möglichkeit geboten wird, hier Freistellung für Weiterbildung und Bildungsangebote wahrnehmen zu können.


Mit den vorgelegten Änderungsanträgen der rot-rot-grünen Fraktionen kommt noch eines dazu. Wir haben nämlich gezeigt, dass wir die Stellungnahmen in der öffentlichen Anhörung ernst genommen haben und an einigen Stellschrauben doch noch mal nachjustiert haben. Die wichtigste Änderung ist dabei beispielsweise die Aufnahme der Maßnahmenanerkennung neben der Trägeranerkennung. Hier sei noch mal darauf hinzuweisen, dass wir damit Änderungswünsche aller Anzuhörenden mit aufgenommen haben, damit nicht nur der Gewerkschaften, sondern auch der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, somit auch der Wirtschaft. Denn hier sind zwei Punkte zu betonen. Zum einen wird so den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unter die Arme gegriffen. Denn wenn eine Maßnahme tatsächlich als anerkannt vorliegt, dann können sie sich sicher sein, sie haben hier eine Rechtssicherheit, wenn sie diese Maßnahme entsprechend beantragen. Auf der anderen Seite können sich die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber genauso sicher sein – hier vielleicht noch mal in Richtung der Fraktion der CDU –, dass es sich um Maßnahmen handelt, die tatsächlich den Sinne des Gesetzes entsprechen, und dann muss eben nicht mehr abwertend gesagt werden, dieses Bildungsfreistellungsgesetz würde vermeintlich Häkel- und Strickkurse bevorzugen, sondern es sind tatsächlich Maßnahmen, die dann dazu dienen, sich gesellschaftspolitisch, arbeitsweltbezogen und in der ehrenamtsbezogenen Weiterbildung bilden zu können.


(Beifall DIE LINKE)


Darüber hinaus noch ein weiterer Punkt: Wir haben auch hier noch versucht, den Interessenausgleich zwischen den Sozialpartnern an einem Tisch entsprechend auszuhandeln, indem wir in dem neu gefassten § 10 Abs. 5 nun regeln wollen, dass in einem paritätisch besetzten Beirat Arbeitgeberinnen- und Arbeitgebervertreter, Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmervertreter sowie auch die Bildungsträger an einem Tisch sitzen, um über die Bildungsveranstaltungen und damit eben auch Maßnahmen zu entscheiden. Damit werden alle Interessen gleichermaßen an einem Tisch dann artikuliert werden können. Die Wirtschaft – und das ist dann noch mal in die Richtung der CDU – hat dann hier ebenso ein Mitentscheidungsrecht bei der Maßnahmenanerkennung wie die Gewerkschaften und die Bildungsträger. Auch die Kritik des Thüringer Beamtenbundes haben wir uns noch mal zu Herzen genommen, indem wir in § 3 Abs. 5 noch mal daran gearbeitet haben, dass wir nun auch Lehrerinnen und Lehrern die Möglichkeit bieten wollen, im Rahmen ihrer Schulzeit, sofern aber dabei abgesichert ist, dass kein Unterricht ausfällt, im Einklang mit dem Dienstverhältnis dann auch den Bildungsfreistellungsanspruch zu ermöglichen.


Auch ein weiterer Punkt: Wenn dann immer wieder in der öffentlichen Debatte in den letzten Wochen – ich kann es nur noch mal betonen, eigentlich ist es in der ersten Lesung schon ausreichend genug dargelegt worden, aber es scheint ja in einigen Köpfen immer noch nicht anzukommen: Dieses Gesetz ist ein Kompromiss zwischen der Arbeitnehmerinnenseite und der Arbeitgeberinnenseite. Das zeigt sich beispielsweise auch, wenn wir uns einige Regelungen wie die Kleinstbetriebsausnahme und der Überlastungsschutz anschauen, die in meinen Augen so weitreichend sind, dass wir hierbei in keinster Weise bei diesem Gesetzentwurf von einem wirtschaftsfeindlichen Entwurf sprechen können.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Warum ich das hier noch mal so ausdrücklich sagen will, ist die öffentliche Anhörung zum Gesetzentwurf. Auch hier haben die Vertreterinnen und Vertreter der Wirtschaft gesagt: Wo sind denn unsere 12 Kritikpunkte, die wir im Werkstattgespräch gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium und dem Bildungsministerium angebracht haben? Bei dem Punkt habe ich den Vertreterinnen der Wirtschaft noch einmal gesagt: Auch die Gewerkschaften haben sicherlich einen solchen Kritikkatalog, und den hatten sie, in dem sie ebenso 12 Punkte zum Gesetzentwurf hätten vorlegen können, bei denen sie sagen, das sind alles Punkte, die aus ihrer Sicht nicht mit eingebracht wurden. Wir haben versucht, die Thüringer Landesregierung hat versucht, mit diesem Gesetzentwurf den Interessenausgleich zu schaffen. Das muss hier auch mal zur Kenntnis genommen werden.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wenn wir dann vielleicht doch noch mal bei der Kritik am Gesetz sind, ja, da will ich jetzt auch noch einmal meine persönliche Meinung kundtun: Es gibt auch aus meiner Sicht einen Punkt im Gesetz, wo man vielleicht noch hätte etwas verbessern können, das ist die Frage des Bildungsfreistellungsanspruchs für Auszubildende. Wir haben jetzt geregelt, dass die Auszubildenden drei Tage Bildungsfreistellungsanspruch im Jahr haben. Die Gewerkschaftsjugenden haben gefordert, es sollen ebenso wie bei den Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmern fünf Tage sein. Auch ich hätte mir das gewünscht. Aber wenn ich mir die Änderungsanträge ansehe, dann ist es umso wichtiger, dass jetzt in dem Gesetzentwurf drinsteht, dass die Auszubildenden diese drei Tage Bildungsfreistellunganspruch haben, denn die Opposition hat ja entsprechende Änderungsanträge gestellt, Auszubildende aus diesem Gesetz herauszunehmen. An der Stelle will ich auch noch mal sagen, das wurde dann teilweise auch damit argumentiert, dass in anderen Bildungsfreistellungsgesetzen auch nur für Auszubildende die betriebliche Fortbildung entsprechend gelte. Dem will ich an der Stelle noch einmal widersprechen. Denn, Herr Voigt, Sie hatten das ja angesprochen, beispielweise im Bildungsfreistellungsgesetz in Rheinland-Pfalz ist ausschließlich geregelt, dass Auszubildende Weiterbildungsmaßnahmen im Rahmen der gesellschaftspolitischen Bildung wahrnehmen und eben nicht der betrieblichen Fortbildung, weil hier ganz klar deutlich gemacht wird, die betriebliche Fort- und Ausbildung, das haben Sie alltäglich; Auszubildenden muss die Möglichkeit gegeben werden, auch mit diesem Bildungsfreistellungsgesetz außerhalb des beruflichen Alltags sich gesellschaftspolitisch und ehrenamtsbezogen weiterbilden zu können. Denn diesem Gesetz liegt nämlich ein moderner und damit eben ganzheitlicher Bildungsbegriff zugrunde. Das heißt, wir wollen allen, die diesen Bildungsfreistellungsanspruch wahrnehmen, die Möglichkeit bieten, sich kulturell, geistig, aber auch gesellschaftspolitisch, ehrenamtsbezogen weiterbilden zu können. Wir haben dieses Gesetz eben auch nicht dahin gehend geändert, wie es beispielsweise von der AfD ja gefordert wird, eben nur für die berufliche Fort- und Weiterbildung gelten zu lassen, denn das ist nicht unser Gedanke von Bildungsfreistellung und einzig allein die Berufsbefähigung zu betrachten, das ist nicht Sinn dieses Gesetzes, das ist nicht Zweck dieses Gesetzes. Wir haben einen weiterführenden Bildungsanspruch und den wollen wir den Thüringer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie den Auszubildenden auch tatsächlich zugänglich machen.


Alles in allem ist dieses Gesetz in Gänze und in der vorliegenden Form und auch mit den Änderungsanträgen der rot-rot-grünen Fraktion nun ein Gesetz, was als Gewinn für die Thüringer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betrachtet werden kann,


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


auch für die Auszubildenden, weshalb ich hier ganz eindrücklich um die Zustimmung zu diesem Bildungsfreistellungsgesetz werben will. Wir tun damit einen wichtigen Schritt, der längst überfällig ist. Ich bedanke mich an der Stelle auch bei allen, die da in der rot-rot-grünen Koalitionsfraktionen sowie in den beiden Ministerien entsprechend sehr konstruktiv daran gearbeitet haben, auch nach der öffentlichen Anhörung hier die eine oder andere Stellschraube noch mal zu drehen. Wenn wir dann in drei Jahren das Gesetz entsprechend evaluieren, findet sich vielleicht noch die eine oder andere Möglichkeit, an der einen oder anderen Stellschraube noch einmal was nachzujustieren. Aber erst einmal können wir einen großen Schritt gehen, indem wir das Bildungsfreistellungsgesetz heute verabschieden. Danke.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


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