Thüringer Gesetz zu dem Studienakkreditierungsstaatsvertrag

Zum Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 6/4603

 

Werte Kolleginnen und Kollegen, werte Zuschauerinnen und Zuschauer, die vielleicht noch am Livestream sind, sehr geehrte Präsidentin, wir beraten heute den Studienakkreditierungsstaatsvertrag, der im Juni 2017 durch die Ministerpräsidenten unterzeichnet wurde. Mit diesem Staatsvertrag und der sich daraus ableitenden, sich derzeit im Anhörungsverfahren befindlichen Musterrechtsverordnung soll dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Akkreditierungswesen in der Bundesrepublik Rechnung getragen werden. Mit dem Entscheid vom 17. Februar 2016 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die Regelungen über die Akkreditierung von Studiengängen des Landes Nordrhein-Westfalen mit dem Grundgesetz in Artikel 5 Abs. 3 in Verbindung mit Artikel 20 Abs. 3 unvereinbar sind. Das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit stehe zwar den Vorgaben zur Qualitätssicherung von Studienangeboten nicht grundsätzlich entgegen, wesentliche Entscheidungen zur Akkreditierung darf der Gesetzgeber jedoch nicht anderen Akteuren überlassen. Mit diesem Urteil setzte ich der Prozess zur Erarbeitung des neuen Staatsvertrags in Gang, zentraler Gegenstand der Interpretation des Urteils ist die Frage, was unter den wesentlichen Entscheidungen zur Akkreditierung zu verstehen ist. Dazu bekamen die Gesetzgeber die Aufgabe, zu regeln, wer im Rahmen von Akkreditierungsverfahren grundrechtsrelevante Entscheidungen zu treffen hat, wie das Verfahren auszugestalten ist. Auch wurden quasi hinreichende gesetzgeberische Entscheidungen zu den Bewertungskriterien in den Ländern ins Hausaufgabenheft geschrieben.


Wie gesagt, ausgehend davon blieb immer noch gewissermaßen Interpretationsspielraum bestehen, inwieweit der Gesetzgeber über den Staatsvertrag Vorgaben zu Verfahren, zur Organisation, zu den Kriterien zu gestalten hat. Das Urteil hatte – kann man somit schon sagen – durchaus Potenzial, in einem Staatsvertrag auch entsprechend weitreichend diese Aspekte zu regeln und auszugestalten. Schaut man in den nun vorliegenden Staatsvertrag, so lassen sich folgende Leitgedanken dessen, wie das Akkreditierungswesen nun weiter ausgestaltet werden soll, formulieren.


Erstens: Die Verantwortung für die Qualitätssicherung bleibt weiter primär bei den Hochschulen. Zweitens: Die Akkreditierung wird weiterhin auch als externes wissenschaftsgeleitetes Qualitätssicherungssystem betrachtet und soll zugleich der staatlichen Verantwortung für die Gleichwertigkeit einander entsprechender Studien- und Prüfungsleistungen wahrnehmen. Drittens: An der Form der Programm-, der Systemakkreditierung wurde festgehalten, aber auch eine Erprobungsklausel für neue Formen der Akkreditierung eingeführt. Da muss man schon sagen, dass aufgrund der schnellen Festlegung auf die Eigenverantwortung der Hochschulen, an dem Festhalten an der externen Begutachtung gewissermaßen der Gestaltungsspielraum dieser Reform dann doch ein Stück weit an die bestehenden Strukturen gebunden war. Daher verwundert es nicht, an der Stelle auch zu sagen, dass – ausgehend vom Urteil des Bundesverfassungsgerichts – natürlich auch hier lediglich ein Minimalkonsens der Länder vorliegt.


Auf ein paar wenige Punkte will ich an der Stelle eingehen, wo sich zumindest in der Praxis zukünftig zeigen wird, inwiefern die neuen Entscheidungen von Erfolg gekrönt sind. Das ist zum einen die Akkreditierungsentscheidung, die zukünftig nur noch durch den Akkreditierungsrat erfolgen soll. Das könnte natürlich zu einer konsistenteren Entscheidungspraxis führen. Allerdings ist fraglich, ob der Rat angesichts dieser neuen Praxis die Fülle an Akkreditierungen und die immense Aufgabe, mit denen er konfrontiert ist, ohne zeitlichen Verzug tatsächlich auch umsetzen kann. Ein anderer Punkt, der beispielsweise zu nennen ist, sind die im Artikel 2 des Staatsvertrags vorgenommenen Trennungen in die inhaltlich-fachlichen Kriterien. Die Trennung ist natürlich für die Gutachter insofern einfacher, weil sie sich den formalen Kriterien nicht mehr widmen oder sich darauf nicht mehr konzentrieren müssen. Andererseits sind insbesondere die scheinbar formalen Anerkennungsregelungen für die Studienleistungen und die formalen Kriterien auch oft die, die über die Frage der Studiengangsqualität hinsichtlich der Studienmobilität von Studierenden entscheiden. Das heißt, ob hier zukünftig diese Trennung auch trennscharf in „formal“ und „fachlich-inhaltlich“ unternommen werden kann. Auch das wird erst die Praxis zeigen.


Natürlich gibt es auch seitens der studentischen Gutachterinnen und Gutachter und auch des „Freien Zusammenschlusses der StudentInnenschaften“ des studentischen Akkreditierungspools zumindest dahingehend Kritik, dass gerade bei einem Thema wie der Akkreditierung die maßgeblich dafür Verantwortung trägt, dass Studiengänge studierbar sein sollen und mit auch in der entsprechenden Qualität die Gruppe der Studierenden entsprechend – man kann schon sagen – weiterhin unterrepräsentiert ist mit nur zwei von 22 Mitgliedern im Akkreditierungsrat. Besonders fällt aber auf – da kommt dann in der aktuellen Anhörung der Musterrechtsverordnung eine besondere Bedeutung zu –, dass wichtige Entscheidungen zum Verfahren, zur Zusammensetzung der Gremien und zu den Kriterien nicht abschließend im Staatsvertrag verankert sind, sondern hier in Artikel 4 nachzulesen, dann deutlicher ausgestaltet werden in der Musterrechtsverordnung. Da ergeben sich noch viele offene Fragen, vor allem eine beispielsweise, die noch geklärt werden könnte auch in der Musterrechtsverordnung: Inwiefern es zukünftig auch Beschwerdemöglichkeiten geben soll, um innerhalb der Hochschulen verbindliche Instrumente zur internen Qualitätssicherung und deren Verbesserung zu haben? Ich werde nur ein kurzes Beispiel aus Thüringen nennen: Man kann beispielsweise schon hinterfragen, wenn an der FSU in einem Pädagogikmodul im Lehramt für Gymnasium im Prinzip folgende Prüfungsleistungen verlangt werden: ein Essay, zwei Klausuren und noch ein Lesetagebuch – ein Lesetagebuch, was noch nicht mal im Modulkatalog zu finden ist. Es gibt auch andere Beispiele, wo beispielsweise Seminare für die gleiche Anzahl an Leistungspunkten im Umfang unterschiedlich gearteter Prüfungsleistungen annehmen. Da kann man durchaus mit Blick auf den Modulkatalog auch seitens der Studierenden berechtigt die Frage stellen, inwiefern das Thema „Systemakkreditierung“ in der FSU vielleicht noch weiter entwickelt werden muss, um solche ausgestalteten Studienpläne zukünftig zu verhindern. In den beiden genannten Fällen kann beispielsweise schon berechtigt hinterfragt werden, inwiefern hier eigentlich die ländergemeinsamen Strukturvorgaben zur Akkreditierung von Bachelor- und Masterstudiengängen bei der Studiengangsentwicklung eingehalten wurden. Da brauchen die Studierenden ein Instrument an der Hand, wie sie bei solchen Fällen klar intern an der Hochschule darauf hinweisen können, dass es aus ihrer Sicht ein Problem gibt. Hier ist in der Studiengangsentwicklung und in der Qualitätssicherung ein Fehler gemacht worden. Das muss dann auch entsprechend gemeldet werden können. Da bietet die Musterrechtsverordnung die Möglichkeit, so etwas noch zu verankern.

Ein großer wichtiger Schritt ist aber an der Stelle – das will ich noch kurz erwähnen und das begrüße ich auch ausdrücklich –, dass in der aktuell in der Anhörung befindlichen Musterrechtsverordnung die Lehrverfassung aufgenommen wurde ein Instrument, das auch vom Wissenschaftsrat empfohlen wurde. Eine solche Lehrverfassung, die in einem gemeinsamen Prozess entwickelt werden soll, in dem sich Lehrende, Hochschulleitungen, Fakultäten, Studiengangsleitungen und Studienvertreterinnen über die übergeordneten Bildungsziele in einem Studiengang verständigen sollen, bietet die Chance, normativ bindend und nicht nur im Selbstverständnis einer Lehrinstitution festzuschreiben, welche fachübergreifenden didaktischen Leitlinien und Qualifizierungsziele bei der Studiengangentwicklung betrachtet werden sollen. Insofern ist auch hier doch tatsächlich zu begrüßen, dass mit der Musterrechtsverordnung ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Qualität gemacht wird. Gleichzeitig muss aber mit Blick auf die vorliegenden Stellungnahmen zur Musterrechtsverordnung auch die Kritik aufgenommen werden hinsichtlich der langen Reakkreditierungsfristen und der Möglichkeit des Verzichts auf Vor-Ort-Begehungen und weiterer Punkte in der Verordnung. Da bitte ich an dieser Stelle einfach auch noch mal das zuständige Ministerium, in der Kultusministerkonferenz und dann auch zusammen im Anhörungsverfahren mit der Hochschulrektorenkonferenz tatsächlich insbesondere die Stellungnahmen, die eingehen, zu würdigen, um hier die genannten Kritikpunkte, die von verschiedenen Organisationen, die auch ganz konkret bei der Begutachtung von Studiengängen tagtäglich, monatlich und seit Jahren im Prinzip schon dabei sind, ein paar Fehler bzw. noch offene Chancen aufgezeigt haben, die mit der Musterrechtsverordnung geschlossen werden könnten.


Zum Schluss will ich nur noch auf einen Punkt eingehen. Ich hatte gesagt, der vorliegende Staatsvertrag ist gewissermaßen ein Minimalkonsens dessen, was bei den Ländern in diesem Bereich hergestellt werden konnte. Nach unserem Verständnis als Fraktion Die Linke soll eine Qualitätssicherung und das damit verbundene Akkreditierungssystem in erster Linie im Sinne der Studierenden wirken. Das heißt, die bestehenden Studiengänge sollten so regelmäßig evaluiert werden, dass eine Studierbarkeitsgarantie in Verbindung mit der Sicherung der Studierendenmobilität tatsächlich auch gewährleistet werden kann. Dabei sollte in den Blick genommen werden, wie sich das Qualitätssicherungssystem und das Akkreditierungswesen in den letzten Jahren geändert haben. Da sollten ganz selbstkritisch Fehler in den Blick genommen und behoben werden. Ich glaube, da sind wir mit dem Staatsvertrag, der jetzt vorliegt, noch nicht am Ende der Debatte, denn oft werden Akkreditierungsverfahren – und das will ich an der Stelle auch noch kritisch anmerken – so ein bisschen als lästiges, kostenintensives, intransparentes, formales Instrument zum Abdecken von Studiengängen betrachtet. Aus der Denkweise heraus wird oft auch auf das System der Erstsystemakkreditierung umgestellt, das per se nicht zu kritisieren ist, sondern man muss gucken, aus welcher Denkweise heraus dieses System angewendet wird, denn vielmehr sollten Akkreditierungsverfahren unabhängig vom System eher als Beobachtungs- und Lernprozess auf einem hohen Niveau verstanden werden, damit die Qualitätsentwicklung dann tatsächlich auch fortgeschrieben werden kann, Rückschlüsse für die Lehre gezogen werden können, sowohl für die Lehrenden als auch für die Studierenden, um wirklich nachhaltig gute Studienbedingungen zu etablieren. Insofern ist der Studienakkreditierungsstaatsvertrag, wie er heute vorliegt, eine rechtssichere Grundlage auf Grundlage des Urteils des Bundesverfassungsgerichts und somit zustimmungsfähig auch die Musterrechtsverordnung, die vorliegt und derzeit angehört wird. Da einfach noch mal die Bitte, dann, wie gesagt, entsprechend in der KMK zu gucken, dass hier die Chancen noch genutzt werden. Ansonsten sind, glaube ich, der Studienakkreditierungsstaatsvertrag sowie die Musterrechtsverordnung erst noch der Stein, um die Debatte für dieses Feld tatsächlich mal ins Rollen zu bringen, weil ich glaube, die Frage, wie Studiengänge akkreditiert werden und wie Studienqualität und eine Qualitätssicherung langfristig gestaltet werden kann, das mag immer so ein bisschen als nerdige Fachdebatte abgetan werden, ist aber, glaube ich, für die Grundlage der Lehre an den Hochschulen ungemein wichtig, wenn sowohl für Lehrende als auch für Studierende eine Sicherheit geschaffen werden soll. Insofern wäre jetzt noch mein Appell, zu sagen: Dieser Studienakkreditierungsstaatsvertrag sollte den Stein der Diskussion über die weitere Ausgestaltung ins Rollen bringen. Danke schön.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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