Thüringer Gesetz zur Stärkung der Mitbestimmung an Hochschulen sowie zur Änderung weiterer hochschulrechtlicher Vorschriften

Zum Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 6/4467


Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, werte Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Tribüne; auch noch mal ein herzliches Willkommen, Herr Scharff, schön, dass Sie heute hier der ersten Lesung beiwohnen; auch werte Zuschauerinnen und Zuschauer am Livestream! Herr Voigt, ich hätte ja angesichts Ihrer wissenschaftlichen Expertise, die ich Ihnen ja durchaus zugestehe und die Sie auch durchaus haben, ein bisschen mehr zugetraut, als das, was Sie heute abgeliefert haben.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Denn das, was Sie gemacht haben, reiht sich in das ein, was wir in den letzten Wochen und Monaten sehen: Gesetze werden einfach nur pauschal abgelehnt, das ist weiter das Instrument der Dagegen-Partei. Ich habe nicht viel Substantielles nach vorne gehört, außer zwei Dinge. Ich würde mich freuen, wenn Sie die beispielsweise dann in der Beratung einbringen, da sind wir auch sicherlich offen, darüber zu diskutieren: Die Frage, wo kann beim Thema „Open Access“ oder beispielsweise eines Digitalbeauftragten in dem Gesetz noch nachgebessert werden.


(Beifall SPD)


Aber ansonsten war es, wie gesagt, nicht viel Neues.

Wir beraten heute hier diesen Gesetzentwurf, der neue Maßstäbe für eine demokratische, soziale und offene Hochschule setzt und ein Gesetzentwurf – Herr Minister Tiefensee hat es gerade ausgeführt –, der auch deswegen neue Maßstäbe setzt, weil ein intensiver Anhörungsprozess vorausgegangen ist. Ich will es in Erinnerung rufen: Wir haben uns anderthalb Jahre diesem Prozess tatsächlich gewidmet. Wir hatten 700 Personen, die an allen Hochschulstandorten teilgenommen haben. Herr Voigt, ich will es auch noch mal sagen: Sie haben an einem Hochschuldialog teilgenommen, bei den Werkstattgesprächen habe ich Sie aber vermisst.


(Zwischenruf Abg. Prof. Dr. Voigt, CDU: Ich war bei zweien!)


Bei beiden Werkstattgesprächen? Da waren wir anscheinend bei anderen Werkstattgesprächen.


Ich will aber noch mal deutlich machen, dass dieser Prozess aus meiner Sicht allein schon ein Musterbeispiel dafür ist, wie Mitwirkung und Mitbestimmung gelebt werden kann. Für diesen Prozess will ich an der Stelle auch der Hausspitze des Ministeriums, aber auch allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern danken, die an der Organisation, Durchführung und Nachbereitung beteiligt waren.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Nicht nur der Gesetzentwurf ist ein klares Bekenntnis zu mehr Demokratie an Hochschulen, auch dieser Prozess war es. Der Entwurf fußt auf der Grundlage der Rückmeldungen, die wir beispielsweise von Hochschullehrern, Mitarbeiterinnen, Studierenden erhalten haben. Wenn einer wie Sie, werter Kollege Voigt, der Landesregierung platt vorwirft, hier ein ideologisches Machwerk der 70er-Jahre auf den Tisch zu legen, der negiert ganz klar diese berechtigten Interessen und Vorschläge der beteiligten Akteurinnen und zeigt, war Sie als CDU von Bürgerinnenbeteiligung tatsächlich halten.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Hier liegt kein ideologisches Machwerk auf dem Tisch, sondern eine gute Arbeitsgrundlage für die weitere parlamentarische Beratung, um ein Gesetz zu verabschieden, das nach unserem Ansinnen die Zukunft der Thüringer Hochschullandschaft positiv gestaltet und der Hochschule in ihrer gesellschaftlichen Verantwortung durchaus Rechnung trägt. Das zentrale Element zur Stärkung der Mitwirkung an Hochschulen ist die Verlagerung der Kompetenzen hin zum Senat als demokratisch von allen Mitgliedern der Hochschule gewähltes Gremium. In diesem Zusammenhang setzen wir auch die neue paritätische Besetzung der Senate mit der gleichberechtigten Zusammenarbeit der Statusgruppen um, die dann nämlich alle auf Augenhöhe an der Entwicklung der Lehr-, Lern- und Lebenswelt Hochschule beteiligt sind und mitgestalten können. Die Stärkung dieses Hochschulorgans ist wichtig. Das haben nicht nur die Studierenden aufgezeigt. Ich will hier auch noch mal ein Zitat anführen von Prof. Schmidt-Oberländer von der Hochschule Musik „Franz Liszt“ in Weimar, der beim Hochschuldialog am 10. Mai 2016 gesagt hat: In den 90er- und Nullerjahren bis zur Einführung der neuen Hochschulstruktur waren Senat und Konzil die Gremien, die für die Hochschule der Identifikationspol waren. Im Senat wurden die wichtigen und wegweisenden Entscheidungen getroffen und das Konzil wählt die Hochschulleitung. Ich konnte seither beobachten, dass durch die Einführung des Aufsichtsgremiums „Hochschulrat“ unter einer beträchtlichen Anzahl meiner Kollegen bezüglich der Möglichkeit der Mitwirkung zunehmend Resignation bzw. Frustration einkehrte. Ein Kollege, ein künstlerischer Leuchtturm, der Senatsdebatten entscheidend mitgeprägt hat, bat uns Kollegen sogar schriftlich darum, ihn nicht mehr in den Senat zu wählen. − Entsprechende Rückmeldungen lagen auch aus anderen Statusgruppen vor. Herr Voigt, das zeigt noch mal, dass es nicht so ist, dass wir hier etwas Gutes zerstören, sondern dass wir hier nachbessern und diese Anmerkung und viele andere aufnehmen, um dem Gesetz mit dem Anspruch der Demokratisierung der Hochschulen endlich Rechnung zu tragen.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Im Vergleich zum aktuellen Gesetz wird der Senat künftig wieder das Recht haben, in zentralen Aufgaben, wie beispielsweise der Entscheidung über die Ziel- und Leistungsvereinbarungen, der Inanspruchnahme der Erprobungsklausel oder den Grundsätzen der Ausstattung und Mittelverteilung, auch hier durch die Herstellung des Einvernehmens, tatsächlich auf nachhaltige Strukturentscheidungen in der eigenen Einrichtung wieder Einfluss nehmen zu können. Damit hat die Landesregierung die Grundsätze des Bundesverfassungsgerichts zur medizinischen Hochschule Hannover und der dortigen Hochschulgovernance aus dem Jahr 2014 nicht nur für diese Einrichtung spezifisch bewertet, sondern durchaus berechtigt Grundsätze abgeleitet, dass es für die gesamte Hochschullandschaft von Relevanz ist, dass Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen effektiv an allen wissenschaftsrelevanten Entscheidungen mitwirken müssen. Das bedeutet, dass im Senat mehr Mitwirkungsrechte zugestanden werden müssen. Das wird dieser Gesetzentwurf ermöglichen.


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Um nicht nur die Mitwirkungsrechte einer Statusgruppe zu verbessern, sondern aller Statusgruppen, wurde auch hier ein neuer Maßstab mit Blick auf die Zusammensetzung des Senats gesetzt. Künftig sollen alle Statusgruppen gleichberechtigt vertreten sein. In Fragen, die nicht unmittelbar Forschung und Lehre betreffen, wird so zukünftig gesetzlich verankert werden, dass die Statusgruppen auf Augenhöhe entscheiden. Dies betrifft beispielsweise Fragen der Gleichstellung, der Gebührenordnung, der Bewertung und Qualitätssicherung von Lehrern sowie nach der Rechtsform der Hochschule. Fragen, die unmittelbar Forschung und Lehre betreffen, wird dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus den 70er-Jahren durch die Einbindung weiterer Mitglieder aus der Gruppe der Hochschullehrenden Rechnung getragen. Ich will es an der Stelle auch noch mal deutlich machen: Hier kann nicht von einem verfassungswidrigen Gesetzentwurf oder einem verfassungswidrigen Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit gesprochen werden, sondern von einer wohlüberlegten Stärkung der Demokratie an den Thüringer Hochschulen.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Um dieses Modell praktikabel umzusetzen und die Befürchtung insbesondere auch seitens der Hochschulleitung zu würdigen, plädieren wir als Fraktion Die Linke dafür, den im ersten Entwurf des Gesetzes vorgesehenen Katalog mit paritätischen bzw. nicht paritätischen Entscheidungsgegenständen durchaus doch wieder aufzunehmen, um hier eine Rechtssicherheit und Handlungssicherheit für den Senat und alle Beteiligten herzustellen.


(Beifall SPD)


Ich will noch mal eins anmerken: Weder die Stärkung der Senate noch die Parität werden per se sicherlich dazu führen, dass an den Hochschulen Entscheidungsprozesse gelähmt werden, wie Sie auch behaupten, Herr Voigt. Wie gut und schnell nämlich Entscheidungsprozesse ablaufen, ist im Wesentlichen davon abhängig – Herr Minister Tiefensee hat es gerade gesagt –, wie bemüht die Hochschulleitungen sind, alle Statusgruppen bei den Entscheidungsprozessen von Beginn an transparent und auf Augenhöhe einzubinden. Blockaden entstehen dann, wenn sich Gruppen übergangen fühlen oder erst kurz vor Entscheidungen relevante Informationen erhalten. Es wird also auch eine Frage des Umgangs miteinander sein, wie das neue Prinzip der Mitbestimmung im Thüringer Hochschulgesetz gelebt wird. Dieser Verantwortung müssen sich die Hochschulleitungen genauso wie – das betone ich an der Stelle auch – alle Statusgruppen bewusst sein. Ich bin sehr zuversichtlich, dass das im Sinne einer guten Entwicklung der Thüringer Hochschullandschaft auch gelingen wird.


Die Stärkung der Gremien der akademischen Selbstverwaltung an den Hochschulen geht aber auch damit einher, dass die Hochschulräte als beratendes Gremium mit Aufsichtspflichten auf diese Funktion reduziert werden. Wenn Hochschulen ihrem Anspruch gerecht werden wollen, eben keine Einrichtung im sogenannten Elfenbeinturm zu sein, dann sind sie sehr wohl natürlich auf die Expertise und den Blick von außen angewiesen. Als Linke diskutieren wir schon seit Längerem über die Frage, ob Hochschulräte nicht zugunsten von zivilgesellschaftlichen Beiräten abgeschafft werden sollten, aber, ich glaube, mit dem jetzt vorliegenden Modell liegt ein guter Kompromiss vor. Vertreterinnen aus Kunst, Kultur, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft sollen den kritischen Blick von außen wahrnehmen. Deutlich will ich an der Stelle auch begrüßen, dass in den Hochschulräten dabei künftig mindestens drei Frauen mitwirken sollen. Ich könnte mir allerdings auch vorstellen, dass die Quote im Sinne tatsächlicher Gleichstellung auf eine 50-50-Regel anzuheben ist,


(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


aber das kann man ja sicherlich auch noch mal in der kommenden Anhörung diskutieren.

Minister Tiefensee hat es gerade schon gesagt: Wenn die ganze Zeit davon gesprochen wird, dass wir hier in die Autonomie der Wissenschaft oder auch der Hochschulen eingreifen, dann will ich es nur noch mal kurz verdeutlichen. In drei Punkten stärken wir die Hochschulautonomie. Erstens: Die Berufungsverfahren an den Hochschulen und die Ernennung der neuen Professoren wird zukünftig ohne die ministerielle Beteiligung durchgeführt. Zweitens: Die bisherige Regelbefristung von neuen Professorinnen und Professoren wird zu Ausnahme. Drittens übertragen wir beim Hochschulbau, wie schon gesagt, beispielsweise bei der FSU die komplette Bauherrenfunktion und für die anderen Hochschulen haben wir flexible Regelungen für die Standorte gefunden. Wer dann noch im Zusammenhang mit der Rahmenvereinbarung IV in den Globalhaushalten davon spricht, wir würden hier einen Eingriff in die Autonomie vornehmen, der verkennt die Realität. Ich will es auch hier noch mal deutlich machen: Rot-Rot-Grün ist der Garant für die gesteigerte Hochschulautonomie, wobei wir anders als die CDU Autonomie der Hochschulen nicht mit Autonomie von Hochschulleitungen gleichsetzen.


(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Aber nicht nur Demokratisierung und Hochschulautonomie wurde im Rahmen des Hochschuldialogs diskutiert, sondern auch soziale Aspekte standen natürlich im Mittelpunkt. Ich begrüße an der Stelle auch ausdrücklich, dass das Wissenschaftsministerium in enger Abstimmung mit der Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten in dem Gesetzentwurf die Position von Gleichstellungsbeauftragten deutlich ausbaut und den Beauftragten endlich Mittel an die Hand gibt, um ihre Arbeit noch effektiver umsetzen zu können.


Wir verankern unter den Aufgaben der Hochschulen auch endlich die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Zur Verankerung des Diversitätsauftrags schaffen wir eine entsprechende Beauftragtenstelle, um der steigenden Heterogenität, der Vielfalt der Studierendenschaft, aber auch der anderen Hochschulmitglieder und -angehörigen Rechnung zu tragen. Die Diversitätsbeauftragten sollen sich insbesondere den Bedürfnissen beispielsweise von Studienbewerberinnen und -bewerbern, Studentinnen und Studenten sowie Promovierenden mit Behinderungen, psychischen oder chronischen Erkrankungen, aber auch Studierenden mit Kindern, pflegebedürftigen Angehörigen, genauso wie internationalen Studierenden oder auch beruflich qualifizierten Studierenden ohne allgemeine Hochschulzugangsberechtigung annehmen. Ich weiß, dass es durchaus Bedenken gibt, da diese Diversitätsbeauftragtenstelle die momentane Stelle der Behindertenbeauftragten aufnimmt, dass diese Person damit in ihrer Funktion und ihren Aufgaben überlastet werden könnte. Das ist ein Einwand, den es durchaus, glaube ich, in der parlamentarischen Beratung, auch in der Anhörung zu beachten gilt. Zu der Frage kann dann sicherlich auch diskutiert werden, ob es nicht vielleicht sinnvoll wäre, die Diversitätsbeauftragten als Stelle neben den Gleichstellungs- und Behindertenbeauftragten zu installieren. Aber das werden wir gemeinsam mit den betreffenden Beauftragten dann sicherlich in der Anhörung diskutieren. Unbestritten ist jedoch jetzt schon: Es ist endlich ein Erfolg, dass das Thema Diversity auch hier im Gesetz verankert ist.


Eine weitere Verbesserung der sozialen Situation der Hochschulangehörigen im Gesetz sind verschiedene Implementierungen an verschiedenen Stellen der familien- und gleichstellungs- sowie inklusionspolitischen Komponenten, beispielsweise, um die Familienfreundlichkeit zu erhöhen, soll künftig die Dauer von Juniorprofessuren und Tenure-Track-Professuren um bis zu einem Jahr pro betreutem Kind unter 14 Jahren erhöht werden, zwei Jahre bei der Graduiertenförderung für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Auch die Berücksichtigung von Betreuungszeiten bei der Lehrplangestaltung ist ein wichtiges Instrument, um Hochschulen familienfreundlicher zu machen und somit offener und sozialer zu gestalten.


In dem Kontext kann auch die Abschaffung der generellen Anwesenheitspflicht erwähnt werden, wenngleich ich die Regelung im ersten Gesetzentwurf immer noch als die sinnvollere erachte. Sicherlich wird auch hier eine leidenschaftliche Diskussion geführt werden, wie sie derzeit schon an den Hochschulen stattfindet.


Ein wichtiger Punkt für uns als Linke ist aber auch immer die Verbesserung der Arbeitsverhältnisse an den Hochschulen. Minister Tiefensee hat schon ausgeführt, was wir mit diesem Gesetzentwurf erreichen. Wir verankern gute Arbeit als Prinzip in der Wissenschaft im Gesetz. So werden die Richtlinien für Gute Arbeit verpflichtend im Gesetz verankert, wo unter Beteiligung aller Statusgruppen künftig Rahmenvorgaben zum Abschluss unbefristeter und befristeter Beschäftigungsverhältnisse, Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf und auch ein Gesundheitsmanagement verabschiedet werden. Gestärkt werden auch die Interessen der Promovierenden mit der eigenen Interessenvertretung. Natürlich ist auch ein wichtiges Element die Verankerung der Qualifizierungsvereinbarung, damit nicht nur der wissenschaftliche Nachwuchs verpflichtet wird, sondern auch die Betreuerinnen wissen, welche Pflichten sie haben, um hier die Qualität der Qualifizierungszeit für den wissenschaftlichen Nachwuchs zu verbessern.


Allerdings – auch keine Überraschung, es war auch vor zwei Wochen schon in der Presse gewesen – sehen wir natürlich als Linke an der einen oder anderen Stelle immer noch ein bisschen Nachbesserungsbedarf. Darauf will ich noch einmal kurz eingehen. An einer Stelle ganz besonders, und da muss ich zugeben, bin ich tatsächlich ziemlich enttäuscht über die Änderungen oder Nichtänderungen im Thüringer Hochschulgebühren- und -entgeltegesetz, denn gerade hier ließe sich mit der finanziellen Entlastung von Studierenden ein wichtiger Beitrag zu einer sozialeren und offeneren Hochschule leisten.


(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dass die Studierenden nur mit Mehrheit in einem Gremium über die Verwendung von Mitteln über Gebühren und Entgelte entscheiden sollen, ist durchaus zu begrüßen und ein Erfolg. Dass allerdings bisher keine einzige Streichung von Gebührentatbeständen vorgesehen ist, kann ich nicht ganz nachvollziehen, vor allem da die Erhebung der Einnahmen der Hochschulen in den Jahren 2010 bis 2014 gezeigt hat, dass einige Gebühren gar nicht eingenommen werden, bei anderen, zum Beispiel die Gebühren für Laborpraktika, zu bezweifeln ist, ob der Verwaltungsaufwand am Ende nicht höher als der Mehrwert der Einnahmen. Einige Gebührentatbestände im Gesetz existieren auch gar nicht an einzelnen Hochschulen.


Wenn wir schon nicht die Langzeitstudiengebühren abschaffen werden, deren Gegner ich weiterhin bleibe, dann sollten wir Studierende wenigstens entlasten, indem wir Praktikumsgebühren oder Entgelte für Studienmaterialien aus diesem Katalog streichen. Ebenso sehen wir die neue Regelung zur Kostendeckung bei den Weiterbildungsstudiengängen kritisch an, da diese im Endeffekt zu einer deutlichen Verteuerung führen könnten. Damit konterkarieren wir, glaube ich, den Ansatz des lebenslangen Lernens. Wenn wir Weiterbildungsstudiengänge nicht als wirtschaftliche, sondern als wissenschaftliche Tätigkeit betrachten, könnten wir damit auch dem Verstoß gegen EU-Recht durchaus vermeiden.


Ebenso verstehe ich auch noch nicht ganz, warum trotz des gemeinsamen Kooperationsverbundes der Hochschulbibliotheken nun vorgesehen ist, dass die Gebühr für die Benutzung der Hochschulbibliotheken nicht mehr einheitlich geregelt wird. Das sind Punkte beim Thüringer Hochschulgebühren- und -entgeltegesetz, wo wir, glaube ich, noch nachbessern müssen.


Auch mit Blick auf die guten Punkte, die jetzt schon im Gesetz stehen zur Verbesserung der Beschäftigungsverhältnisse, bleiben, glaube ich, noch zwei Baustellen bestehen, die wir nicht vergessen dürfen. Das eine ist: Von einem Tarifvertrag für studentische Beschäftigte, wie wir ihn im Koalitionsvertrag vereinbart haben, sind wir trotz der neuen Regelungen in § 95 des neuen Hochschulgesetzes noch ein ganzes Stück weit entfernt. Hier appelliere ich an der Stelle auch noch einmal an die Landesregierung, dieses Thema nicht immer mit dem Verweis auf die Entscheidung der Tarifgemeinschaft der Länder im Jahr 2015 wegzuwischen. Suchen Sie das Gespräch mit der Tarifkommission der Gewerkschaften, um Möglichkeiten und Wege zu finden, gute Arbeit und Bezahlung auch für die studentischen Beschäftigten zu ermöglichen. Mit der anstehenden Novellierung des Thüringer Personalvertretungsgesetzes könnte beispielsweise eine Grundlage für eine Rahmendienstvereinbarung als alternatives Modell geschaffen werden. Hier bitte ich einfach noch einmal darum, das Gespräch mit den studentischen Beschäftigten zu suchen.


(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Auch für die hoch qualifizierten Lehrbeauftragten müssen wir, glaube ich, noch ein Stück mehr tun. Ich freue mich durchaus über die Öffnung der Mitgliederrechte für langjährig beschäftigte Lehrbeauftragte. Wir erfassen aber mit der derzeitigen Formulierung nur einen Bruchteil der Betroffenen, die zum Teil seit Jahren an Hochschulen von Semester zu Semester ohne Planungssicherheit beschäftigt werden. Sie müssen die Möglichkeit haben, sich und ihre Interessen in angemessener Art und Weise zu vertreten. Auch von einer gerechten Entlohnung sind wir so lange entfernt, wie wir nicht die Vor- und Nachbereitungszeiten für die Lehrbeauftragsvergütung berücksichtigen. Die derzeitige, unveränderte Regelung führt dazu, dass hoch qualifizierte Lehrbeauftragte teils weit unter dem Mindestlohn bezahlt werden, wenn sie in die Berechnung ihrer Vergütungssätze die Vor- und Nachbereitungszeit mit einbeziehen. Ich glaube, hier müssen wir in der Diskussion in der Ausschussanhörung noch einmal ran, gucken, welche Stellschrauben wir noch drehen können, damit Gute Arbeit in der Wissenschaft für alle Beschäftigten ermöglicht wird.


Nachgebessert werden könnte – auch das war vor zwei Wochen in der Presse – beim Thema „Zivilklausel“. Ich will auch noch einmal sagen, warum. Durchaus begrüße ich, was jetzt im Gesetz steht, auch im Namen meiner Fraktion, dass jetzt hier eine Zivilklausel in diesem Sinne verankert ist, aber dass eine Zivilklausel, die es an der Hochschule nicht gibt, nicht per se dazu führt, dass Rüstungsforschung eben nicht mehr stattfindet, hat die Antwort auf meine Kleine Anfrage in der Drucksache 6/1348 gezeigt. Denn die FSU Jena und die TU Ilmenau hatten bisher eine entsprechende Klausel und haben, wie es der Kleinen Anfrage von der Kollegin Astrid Rothe-Beinlich aus der letzten Legislatur zu entnehmen ist in der Drucksache 5/7221, trotzdem entsprechende Forschungsprojektmittel aus diesem Bereich. Die Einhaltung einer Zivilklausel muss also an den Hochschulen auch im Rahmen ihrer Autonomie kontrollierbar sein. Und da würde ich mir wünschen, dass wir im Rahmen der Anhörung hier doch noch ein Instrument finden, damit auch die Hochschulen dann gucken können, wie sie diese Kontrolle tatsächlich durchführen. Ob eine Ethik-Kommission oder eine anders geartete Kommission eine Lösung ist, können wir in der Anhörung diskutieren.


Letzter Punkt: Wenn wir in Bezug auf die letzte Novellierung im Jahr 2013 über die Öffnung der Hochschule als Ort der lebenslangen Bildung sprechen, müssen wir, glaube ich, auch noch mal erörtern, ob die derzeitige Regelung für die beruflich Qualifizierten ausreicht oder nicht doch auch hier noch eine Stellschraube gedreht werden muss, um eben Studieninteressierten ohne allgemeine Hochschulzugangsberechtigung den Zugang zu erleichtern. Ich glaube auch, ein solcher erleichterter Zugang kann ein Beitrag zur Wertschätzung der dualen Ausbildung sein, wenn der Zugang zur Hochschule über die Berufsausbildung erleichtert wird, und kann auch dabei helfen, Fachkräfte nachhaltig zu sichern.


Werte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zum Abschluss festhalten: Wir haben heute hier mit der ersten Lesung des Gesetzentwurfs eine wirklich gute Arbeitsgrundlage vor uns liegen, die wir nun im Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft anhören und diskutieren werden. Die Qualität des vorliegenden Gesetzentwurfs fußt aus den Rückmeldungen der über 700 Beteiligten und in den Werkstattgesprächen Zusammengekommenen und ich bin auch deshalb überzeugt, dass die Anhörung damit weiteren Stakeholdern in dem Bereich sicherlich an der einen oder anderen Stelle noch mal ein paar Hausaufgaben mitgibt, Stellschrauben vielleicht noch gedreht werden müssen mit Blick auf Prozessabläufe, gute Arbeit in der Wissenschaft und Verbesserung von Studium und Lehre im Sinne einer sozialen und offenen Hochschule. Aber der erste Schritt ist heute mit der Einbringung hier gemacht worden. Ich freue mich schon jetzt auf den Zugewinn an Demokratie, Mitbestimmung, besseren Arbeitsbedingungen, gesteigerter Diversität, gesteigerter Hochschulautonomie ab dem kommenden Jahr in Thüringen und ein zukunftsweisendes Gesetz für die Thüringer Hochschullandschaft. Vielen Dank.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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