Thüringer Schulen als Lern- und Lebensorte für Demokratie stärken

Christian Schaft

Zum Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/5689

 

Vielen Dank, Herr Präsident. Werte Kolleginnen und Kollegen, werte Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Tribüne, werte Zuschauerinnen und Zuschauer am Livestream! Nicht erst Chemnitz, sondern auch die letzten Jahre haben bundesweit und auch in Thüringen gezeigt, dass menschenverachtende und antidemokratische Haltungen und auch Taten keine Phänomene sind, die sich als Einzelfall abtun lassen können.

 

Ezra – die Beratungsstelle für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen – hat im März eine Jahresstatistik dafür vorgelegt. Danach hat ezra insgesamt 149 Angriffe registriert; das ist im Vergleich zum Vorjahr zwar ein Rückgang von 7 Prozent, aber immer noch ein Rekordhoch. Die Projektkoordination konstatiert: „Längst gehören Diffamierungen bis hin zu Gewaltandrohungen zum politischen Alltag und sind auch im Umfeld [von] Parteien wie der AfD kein Einzelfall mehr.“

 

Diese Angriffe und der gesellschaftliche und politische Rechtsdruck haben unmittelbare Folgen auf den Alltag der von Rassismus und Diskriminierung Betroffenen. So stellt eine Studie des IDZ in Jena fest: Mit zunehmenden Diskriminierungserfahrungen sinkt das Vertrauen in demokratische Institutionen und das Sicherheitsgefühl im Bundesland. Dass wir also nicht erst seit kurzem einen dringenden Handlungsbedarf in Sachen demokratiestärkender Politik haben, zeigt auch der jährlich erscheinende Thüringen-Monitor. Wenn über 53 Prozent der befragten Thüringerinnen und Thüringer der Aussage zustimmen, die Bundesrepublik sei in gefährlichem Maße überfremdet, über 21 Prozent Aussagen mit Merkmalen eines sekundären Antisemitismus zustimmen oder 66 Prozent der Befragten der Aussage zustimmen, es bräuchte in der aktuellen Zeit wieder eine starke Hand, dann ist das besorgniserregend.

 

Dies verdeutlicht, dass immer mehr Menschen bereit sind, der aggressiven Stimmungsmache gegen andere Menschen nachzugeben – bis hin zur Drohung mit Gewalt und, wie dargelegt, auch mit Angriffen – und damit die Gesundheit und das Leben anderer zu beeinträchtigen.

 

Angesichts dieser Situation, aber auch vor dem Hintergrund unserer historischen Verantwortung hat der Bildungsminister und Vorsitzende der Kultusministerkonferenz Helmut Holter beim Antritt des Vorsitzes zu Recht darauf hingewiesen, dass ein demokratisches Selbstverständnis eine wichtige Säule unserer Gesellschaft ist. Er hat den Schwerpunkt seiner Präsidentschaft unter anderem auf den Themenbereich „Demokratiebildung“ gelegt, denn, so sagte er, wir merken heute, dass Demokratie von jeder Generation neu gelernt werden muss. Die heutigen Schülerinnen und Schüler sind schließlich die Stützen und Verteidiger der Demokratie von morgen. Dieses Ansinnen wollen wir mit dem vorliegenden Antrag unterstützen, der eine Vielzahl von Maßnahmen vorsieht. Uns ist dabei wichtig, deutlich zu machen, dass es nicht ausreicht, einfach nur die Funktionsweisen von demokratisch legitimierten Institutionen in der Schule oder auch in außerschulischen Bildungseinrichtungen zu vermitteln. Demokratiebildung ist aus unserer Sicht mehr. Es ist zu verstehen als ein menschenrechtsorientiertes ganzheitliches Konzept, welches Bildungsinhalte, Demokratiepädagogik und Didaktik miteinander verbindet. Aus diesem Grund gilt es, alle Prozesse zur Aneignung demokratischer Wissens-, Urteils-, Handlungs- und Vermittlungskompetenz selbst partizipativ zu gestalten und vielfältige Perspektiven und diskriminierungsfreie Beteiligungsformen zu ermöglichen. Daraus ergibt sich für uns, dass eine Stärkung der Thüringer Schulen als Demokratieorte, als Orte des Erlernens und Erfahrens von Beteiligung und Mitbestimmung und eben auch als Lern- und Lebensorte für Demokratie unerlässlich ist.

 

Deshalb bitten wir mit diesem Antrag die Landesregierung unter anderem, der demokratischen Schulentwicklung einen zentralen Stellenwert einzuräumen, bei der Ausbildung von Lehrkräften von Beginn an auch das Thema demokratiestärkender Bildungsinhalte zu berücksichtigen und zu unterstützen, Mitsprache und Beteiligungsrechte von Schülerinnen und Schüler zu stärken und weitere Punkte, die sicherlich in der Debatte dann noch mal genauer betrachtet werden. Denn damit wollen wir, dass Schülerinnen und Schüler, Kinder und Jugendliche eben nicht nur Demokratie erlernen, sondern auch erfahren können

 

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

 

und deren Mitsprache und Mitwirkung gestärkt wird. Denn unsere Demokratie braucht eine aktive Beteiligung und Engagement, nur wenn sich die Menschen auch als aktive politische Personen begreifen, werden sie sich für das Gemeinwesen einsetzen

 

(Beifall DIE LINKE)

 

und unsere demokratischen Werte verteidigen und gegen antidemokratische Werte aufstehen. Vielen Dank.

 

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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