Studierendenzahlen: Analysieren und die richtigen Schlüsse ziehen statt „Alarmzeichen“ an die Wand malen

In der Ausgabe des Freien Wortes vom 26.11.15 wurde mit Blick auf die Studierendenzahlen im Wintersemester 2015/2016 an den Thüringer Hochschulen getitelt „Studenten-Boom geht an Thüringen vorbei“. Mario Voigt, wissenschaftspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, bezeichnet dies als „Alarmzeichen“ und mahnt an, dass Rückzahlungen aus Hochschulpaktmitteln anstehen könnten durch die rückläufigen Studierendenzahlen. Diese würden anfallen, weil in der Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern vorgesehen ist, dass Mittel in der Höhe zurückgezahlt werden müssen, wie  KMK-Vorausberechnung von 2014 der Studienanfänger*innenzahlen unterschritten wurden. Pro Studienanfänger*in wären 13.000 €. Allerdings muss die Meldung in mehrfacher Hinsicht differenziert betrachtet werden und eine genaue Analyse folgen.

Die Zahl der Studierenden an den Thüringen Hochschulen, vom Landesamt für Statistik angegeben mit 50.167 Personen, sagt allein noch nichts über die tatsächliche Zahl der Studienanfänger*innen und Absolvent*innen aus. Ein Rückgang an Studierenden an den Thüringer Hochschulen ist damit zu konstatieren. Das ist richtig. Allerdings kann daraus noch nicht abschließend abgeleitet werden, ob dieser Rückgang durch eine geringere Zahl an Studienanfänger*innen begründet ist oder vielleicht auch wesentlich mehr Studierende als im Vorjahr ihr Studium in Thüringen (erfolgreich) abgeschlossen haben. Die Anfänger*innen- und Absolvent*innenzahlen müssen dementsprechend nach Hochschulen und Fachbereichen aufgeschlüsselt genau betrachtet werden. Ebenfalls muss dabei die anstehende Medienanalyse der Werbekampagne „Campusduell“ der Landesregierung, die Mitte diesen Jahres als Social-Media-Kampagne durchgeführt wurde, miteinbezogen werden, um aus der Problemanalyse Schlüsse für eine nachhaltige Marketingstrategie für die Thüringer Hochschulstandorte ziehen zu können.

Darüber hinaus werden in dem Beitrag des Freien Wortes die zwei genannten Problemfelder miteinander vermischt. So wird die Studie „Fachkraft 2020“ einer Jobvermittlungsagentur und der Universität Maastricht  zur Absolvent*innenbewegung beim Übergang von der Hochschule zum Beruf in direkten Zusammenhang gebracht mit den gesunkenen Studierendenzahlen. Dabei kann aus dieser Studie zunächst nur der Schluss gezogen werden, dass in Thüringen eine Nettoabwanderung bei den Hochschulabsolvent*innen von 50 % zu konstatieren ist. Die einzigen Länder mit einer Netto-Absolvent*innenzuwanderung sind Berlin, Hamburg, Bayern und Baden-Württemberg. Über die Entwicklung der Studienanfänger*innen in diesen Ländern sagt diese Studie noch nichts aus.

Das bspw. laut der Studie die Chance auf einen reibungslosen beruflichen Einstieg und die Nähe zu Familie und Freund*innen eine wesentliche Rolle bei der Entscheidung spielen das Land zu verlassen in dem die akademische Ausbildung abgeschlossen wurde, müssen entsprechend bei kommenden politischen Entscheidungen Berücksichtigung finden.

Es bleibt also festzuhalten: Ja der Rückgang der Studierendenzahlen in Thüringen muss kritisch betrachtet und analysiert werden. Dazu sollten allerdings die relevanten Daten und das geeignete Zahlenmaterial herangezogen werden, bevor voreilige Schlüsse gezogen und Kurzschlusshandlungen erfolgen.