Erstes Gesetz zur Änderung des Thüringer Hochschulgesetzes

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Zum Gesetzentwurf der Fraktion der AfD – Drucksache 6/2136


Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Landtagsfraktionen! Frau Muhsal, Ihre Argumente werden nicht dadurch besser, dass Sie zwei- oder dreimal wiederholen. Ich komme auch gleich noch dazu, warum wir auch heute hier sagen – und zwar alle, die rot-rot-grünen Fraktionen, und ich gebe zu, überraschenderweise auch die CDU –, diesen Antrag abzulehnen. Ich gebe zu, es war eine kleine Überraschungs- oder Wundertüte, Herr Voigt, nachdem ja die sächsische CDU bei der letzten Novellierung des dann sogenannten Sächsischen Hochschulfreiheitsgesetzes dort eine entsprechende Regelung gefunden hat. Ich begrüße aber heute noch mal ausdrücklich Ihr Statement für die verfasste Studierendenschaft, wie sie momentan im Thüringer Hochschulgesetz vorgesehen ist.


Ich sage aber auch noch mal: Es ist bezeichnend, dass die AfD im Thüringer Landtag, während die Hochschuldialogforen laufen und wo Herr Brandner ein einziges Mal da war und eben nicht den Dialog gesucht hat, wie auch andere Mitglieder Ihrer Fraktion, jetzt einen Angriff auf die demokratisch verfasste Interessenvertretung und auch die größte Statusgruppe an den Thüringer Hochschulen vornehmen will und das Recht der Studierendenschaften in § 72 ff. ThüHG angreifen will. Sie zeigen hiermit den Vertretungsanspruch der Studierenden infrage stellen und auch die Verfasstheit, auch wenn Sie im Antrag versuchen, in der Argumentation dem entgegenzuwirken.


Ich will gleich noch mal auf einen zentralen Punkt eingehen. Sie argumentieren immer damit, dass es bei der Studierendenvertretung keine legitime öffentliche Aufgabe gebe, die diese Zwangsmitgliedschaft rechtfertigen würde. Aber ich habe noch einmal geguckt: Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach zu diesem Sachverhalt Urteile getroffen in Bezug auf die sogenannten Zwangsmitgliedschaften. Wenn man sich die bisherigen Rechtsprechungen genauer anschaut, dann wird konstatiert, dass der Begriff der legitimen öffentlichen Aufgaben als Voraussetzung für die Legitimität einer Zwangsmitgliedschaft eben nicht näher definiert wird und damit dem Gesetzgeber ein großer Ermessensspielraum gegeben wird. Wenn wir uns die Aufgaben anschauen, die in § 73 Abs. 1 des Thüringer Hochschulgesetzes formuliert werden, wie beispielsweise die Förderung der politischen Bildung oder die Pflege der überregionalen und internationalen Studierendenbeziehungen, dann sind das sehr wohl sehr legitime öffentliche Aufgaben, warum es hier dann entsprechend die Studierendenvertretungen für die Allgemeinheit der Studierenden aus unserer Sicht benötigt.


Ich finde es auch tatsächlich abwertend, hier die ganze Zeit von Funktionären zu sprechen. Wir reden hier von Studierenden, die im Bachelor-Master-System, wo sie unter der Repression von Langzeitstudiengebühren im Zweifel dann leiden müssen. Wenn sie sich eben mehr als ein Semester oder zwei Semester in der Studierendenvertretung engagiert haben, sich aber nur eins anrechnen lassen können, dann ist es manchmal eben auch selbst zum Nachteil, zu viel Engagement zu zeigen. Denn wir sprechen hier von ehrenamtlich Tätigen, die das zu großen Teilen neben der Zeit, im auch zu großen Teil verschulten Bachelor-Master-System noch ehrenamtlich tatsächlich Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat im Sinne der Studierenden machen.


Wenn Sie hier meinen, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf blieben die Mitwirkungsrechte und Beteiligungsrechte der Studierendenschaften gewahrt, auch mit der Austrittsoption, dann ist es eben genau nicht der Fall. Denn wie soll denn eine Studierendenschaft für die Studierenden sprechen, wenn sie sich nicht qua Gesetz darauf verlassen kann, dass sie auch den Vertretungsanspruch für alle Studierenden hat. Wenn Sie immer wieder von der Wahlbeteiligung sprechen: Die Tatsache, dass 8,21 Prozent der Studierenden zur Wahl gehen, hat nicht zwingend was mit einer fehlenden Legitimation, sondern mit einem politischen Desinteresse zu tun. Ich frage mich, wie mit einer Austrittsoption das politische Interesse an der Beteiligung bei der Studierendenschaft im Prinzip tatsächlich gefördert werden soll.


Mit der Einführung der Austrittsmöglichkeit aus der verfassten Studierendenschaft entziehen Sie ihr auch im Wesentlichen zum Teil die finanzielle Grundlage und auch Planungssicherheit. Denn wie soll sich die Studierendenvertretung darauf verlassen, dass sie für die Projekte, wie beispielsweise studentisch organisierte Kita-Betreuung oder Kinderbetreuungsangebote, Beratungsangebote für Studierende bei Prüfungsangelegenheiten, kulturelle-politische Bildungsangebote, wie soll sie von Jahr zu Jahr gewährleisten, dass diese Angebote aufrechterhalten werden können, wenn sie im Prinzip keinen festen Fixbetrag für das nächste Semester, für das nächste Haushaltsjahr hat, mit dem sie dann arbeiten kann?


Dann stelle ich mir auch noch die ganz praktische Frage, die auch meine Kollegin schon angesprochen hat, die Frage des Semestertickets. Die werden im Wesentlichen von der Studierendenvertretung für alle Studierenden ausgehandelt. Wenn wir jetzt die Austrittsoption schaffen, dann frage ich Sie, ob es auch in Ihrem Sinne ist, dass dann ab dem Moment des Austritts auch die Studierenden nicht mehr die Möglichkeit haben sollen, auf das vergleichsweise zum Normaltarif kostengünstigere Semesterticket beim ÖPNV und bei der Bahn zurückzugreifen?


Vielleicht noch einmal zum Vorwurf der angeblich nicht ordnungsgemäßen Mittelverwendung, vielleicht noch einmal ein kurzer Hinweis: Aus meiner Arbeit in der Studierendenvertretung der Universität Erfurt und der Begleitung der Arbeit des dortigen Finanzreferats in den StuRa-Sitzungen weiß ich selbst, was es für eine unglaubliche Aufgabe ist, solche Summen auch als – ich sage es jetzt einmal – Laie zu verwalten. Dort sitzen keine ausgebildeten Betriebswirte, dort sitzen Studierenden, die das ehrenamtlich machen, die dann beispielsweise bei der Universität Erfurt einen Haushaltsplan mit 60.000 Euro aufstellen müssen. Da gibt es aber in § 1 Abs. 3 der Thüringer Studierendenschaftsfinanzverordnung einen ganz klaren Rechtsanspruch der Studierendenvertretung, durch die Hochschulverwaltung bei der Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplans auch unterstützt zu werden. Das findet auch in vielen Fällen statt. Aber da muss man fragen, wenn es dann in der ersten Instanz und dann auch bei der Rechtsaufsicht darüber hinaus immer noch Probleme gibt, wo dann hier vielleicht die Verfehlungen liegen, die auch der Rechnungshof 2012 angesprochen hat.


Darüber hinaus abschließend noch ein Hinweis: Die Verfasstheit der Studierendenschaft und damit der Vertretungsanspruch der Gesamtheit der Studierenden ist noch ein bisschen älter, erstmals in der Form festgeschrieben 1921 im Hamburgischen Hochschulgesetz zu Beginn der Weimarer Republik, als hier die Demokratisierungsbestrebungen nämlich auch in Wissenschaft und Forschung vorangetrieben werden sollte und auch die Studierendenschaft schon einmal vorab als Statusgruppe – obwohl es noch nach dem Prinzip der alten Ordinarienuniversität geführt wurde – auch tatsächlich Repräsentation erhalten sollte.


Ich finde, das ist ein Element, an dem wir nicht rütteln sollten und das wir auch im Rahmen der Hochschulgesetzesnovelle insofern anfassen sollten, dass wir eher für eine Stärkung der Studierendenvertretung plädieren. Da, Herr Voigt, das ist eine Debatte, die können wir gern noch einmal im Herbst führen, zum allgemeinpolitischen Mandat. Ich finde es schwierig zu sagen, dass im Prinzip die Studierenden nur ein hochschulpolitisches Mandat haben sollen, denn die Hochschule ist kein frei schwebender Raum innerhalb der Gesellschaft. Probleme, die Studierende in der Hochschule betreffen, sind eng mit alltäglichen Problemen und alltäglichen Kämpfen verwoben, die die Studierenden auch so zu führen haben. Da dann immer die Abgrenzung zu treffen, wann ein entsprechendes Problem hochschulpolitisch, wann es allgemeinpolitisch ist, finde ich doch tatsächlich schwierig. Auch wenn man sich beispielsweise anguckt, der Angriff auf die internationalen Studierenden in Jena, aber auch Angriffe bzw. Anfeindungen gegen internationale Studierende an der Universität Erfurt, als ich dort selbst noch im Studierendenrat tätig war, zeigen, dass es auch Aufgabe der Studierenden ist, wenn sie alle vertreten – eben auch die international Studierenden –, auch ganz klar Gesicht und Kante gegen rassistische Stimmungsmache zu zeigen, denn von der Internationalität leben unsere Hochschule. Die FSU Jena hat sich beispielsweise auch in Form der Hochschulleitung bei den letzten rassistischen Aufmärschen positioniert. Ich finde, das hat hier nichts mit Ideologie zu tun. Das ist die Pflicht von Hochschulen und von Studierendenvertretungen, die sich als international verstehen, internationale Beziehungen pflegen wollen. Insofern sagt das dann mehr über ihre ideologische Einstellung, Frau Muhsal. Vielen Dank.


(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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